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Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)

Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)

Titel: Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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Frühling und der Wärme hatte sich vieles geändert. Die frisch begrünten Bäume schützten die Partisanen jetzt auch vor allzu neugierigen Blicken, und es waren nicht mehr nur junge Carabinieri, mehr von der Pflicht als von unbeugsamen Siegeswillen getrieben, die ängstlich und schlecht gelaunt die Straßen zu den Dörfern hinauftrotteten,. Die Säuberungsaktionen standen immer häufiger unter unmittelbarem deutschem Kommando. Als sich dann eines Tages die Nachricht wie ein Lauffeuer durch die Dörfer des ganzen Tales und darüber hinaus verbreitete, die SS sei gesichtet worden, da dämmerte auch den Letzten der stets Zuversichtlichen, dass es ernst wurde. Carabinieri, Milizen, deutsche Gebirgsjäger, SS und die verschiedenen Brigaden der Partisanen: Jeder schien jeden eingekreist zu haben, es gab keine Frontlinie, niemand wusste, wo der Feind stand. Manch ein Hof wurde von den Flammenwerfern eingeäschert, und die Bereitschaft der Bauern, die Partisanen zu unterstützen, schwand weiter.
    Auch Lewis war besorgt. Mehrmals sprach er von einem Pulverfass, dessen Lunte bereits brannte. Immer mehr und besser ausgerüsteten Widerstandskämpfern standen kampferprobte und militärisch geführte Einheiten der regulären deutschen Armee gegenüber. Während die einen das Warten satt hatten und endlich Taten sehen wollten, schienen die anderen entschlossen zu sein, den Widerstand mit allen Mitteln zu brechen.
    „Kann sein, dass die Alliierten noch diesen Monat landen“, sagte Stefano.
    Es war ein Sonntag im Mai, und seine Schulter war fast verheilt. Er weilte noch immer im ospedaletto , wie seine Krankenstation alsbald getauft worden war, lag jetzt aber nicht mehr im Bett, sondern saß am Tisch und las oder schrieb. An diesem Tag standen Ritas tönerne Teetassen darauf, und im Aschenbecher glommen zwei fast schwarze Zigarillos. An der Küste galt es als ausgemacht, dass die Befreier irgendwo zwischen Carrara und Viareggio an Land gehen würden, und man wartete täglich auf die Parole, die kurz vorher über BBC London käme: Avanti Savoia .
    „Die Deutschen bereiten sich auf einen Angriff auf die Riviera vor. Sie bauen einen zweihundert Kilometer langen Wall bis an die französische Grenze. Jeder Arbeiter bekommt tausend Lire. Am Tag! Keine Kunst, wenn man die Druckerpresse nach Belieben laufen lassen kann.“ Der Engländer fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über sein Bärtchen. „Ich bin mir da gar nicht so sicher, weder was die eine noch was die andere Option angeht.“ Wie angewurzelt standen die Amerikaner unweit von Florenz. Nur wenige Kilometer und der Kamm der Apenninen trennten sie von ihnen. Niemand verstand, warum sie nicht schon längst da waren. „Die Alpen sind kein gutes Einfallstor nach Berlin. Ich fürchte, man wird uns hier in unserem Saft schmoren lassen bis zum Ende unserer Tage.“ Mit einem dünnen Lächeln nahm er die Tasse und hielt sie sich unter die Nase. Tief sog er den Duft des Tees ein. „Solange sie uns dabei anständig versorgen, will ich mich nicht beklagen.“
    Pietro war unlängst bei Lewis gewesen. Die Grauen drängten auf eine groß angelegte Aktion gegen die Westseite der Apuanischen Alpen oberhalb von Massa. Zusammen mit ihnen nahestehenden Brigaden brachten sie es auf fast tausend Mann, genug, um die Bergdörfer und vielleicht sogar die Stadt selbst zu befreien. Mit etwas Glück konnte man dann später zum Meer vorstoßen und die wenigen verbliebenen Deutschen im Becken von Pisa einkesseln und sich mit den Alliierten vereinigen.
    „Was sagt das Nationale Befreiungskomitee dazu?“
    „Das Komitee ist weit weg und die Verbindungen sind schlecht. Es fahren kaum noch Züge, und wir haben viele Kuriere verloren.“
    Stefano nickte. Er stand auf und ging im kleinen Zimmer ein paar Mal hin und her. Der Holzboden knirschte unter seinem schweren Schritt. Lange halte ich diese Untätigkeit nicht mehr aus, dachte er. Aber es war nicht nur die Schulter, die ihn in der Mühle von Villareggio festhielt wie in einem Gefängnis. Er war fest davon überzeugt, dass sie erst losschlagen konnten, wenn die Alliierten kamen. Jede verfrühte Aktion ging unweigerlich auf Kosten der Zivilbevölkerung.
    „Kesselring ist ein Fuchs“, fuhr Lewis fort. „Eine halbe SS -Panzerdivision steht keine dreißig Kilometer von hier. Wenn die wollen, sind sie innerhalb eines Tages unten in Livorno. Die gehen durch unsere Linien durch wie ein heißes Messer durch ein Stück Butter. Und das weiß auch

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