Die Nacht zum Dreizehnten
Verstärkeranlage wettgemacht.
Einen Augenblick lang überlegte er auch, ob er die Frage, sich vorstellen zu lassen, mit Schwester Ariane besprechen sollte, aber sie hatte ja dienstfrei. Warum sollte er nicht einmal die Rolle eines Patienten spielen, der in einer akademischen Vorlesung vorgeführt wird! Er hatte als junger Mensch immer einmal davon geträumt, Student zu sein.
Jetzt hatte er die Möglichkeit, das Fluidum eines Hörsaals kennenzulernen.
Nun war er entschlossen, Dr. Bruckners Bitte zu erfüllen. Schließlich handelte er sich damit auch die Möglichkeit ein, länger Schwester Arianes Gegenwart genießen zu können. Er konnte jetzt die Zeit dafür verwenden, intensiver um sie zu werben und sie zu überreden, ihn schließlich nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus in sein Haus zu begleiten. Er wollte ihr so bald wie möglich klarmachen, daß er nicht der Pferdepfleger und Chauffeur Bursonis war. Er glaubte jetzt auch zu wissen, wie er diese Erfüllung am besten vorbereiten konnte! Er ging auf den Flur, traf Schwester Angelika und fragte sie, wo er telefonieren könne.
»Unten, neben dem Eingang, ist eine Telefonzelle.«
Er mußte lächeln, als er die Nummer seines Floristen wählte, bei dem er immer seine Blumen bestellte.
»Können Sie zwanzig rote Rosen zur Bergmann-Klinik schicken? Hier spricht Dietmar Bursoni.«
»Aber selbstverständlich, Herr Bursoni. Wollen Sie einen Brief beifügen?«
Dietmar überlegte. »Nein, schicken Sie einfach zwanzig rote Rosen an Schwester Ariane, Bergmann-Klinik, Chirurgische Abteilung.«
Befriedigt hing er den Hörer ein. Das war der erste Schritt! Die roten Rosen sollten die Basis bilden. Sie würde sich wundern, wer die Rosen schickte. Wenn er ihr dann sagte, daß er es getan habe, würde sie ihn erstaunt anblicken … Dann könnte er sie in die Arme schließen und ihr sagen, daß er Dietmar Bursoni sei, daß er sie liebe und bitten wolle …
Für ihn stand es bereits fest, daß sein Plan gelingen müsse. Wenn er dann noch in der Vorlesung sagte, daß Schwester Ariane ihm das Leben gerettet hatte, war der zweite Schritt getan, der ihn zu seinem Glück verhelfen sollte.
Als er in sein Zimmer zurückging, sah er Dr. Bruckner auf dem Flur. Sofort sprach er ihn an: »Ich habe es mir überlegt, Sie können morgen vormittag mit mir zählen. Sie haben recht – so erkennt mich wirklich niemand.«
»Außerdem kennen Sie doch sowieso nicht viele Leute?« Dr. Bruckner schaute ihn lächelnd an. »Oder haben Sie in Ihrem Bekanntenkreis auch Medizinstudenten, daß die Möglichkeit besteht, jemand sieht Sie in der Vorlesung?«
»Ich kenne keine Medizinstudenten. In meinem Milieu als –«, er hüstelte, »Chauffeur und Pferdepfleger verkehrt man in solchen Kreisen nicht.«
»Ich danke Ihnen jedenfalls, daß Sie mir die Möglichkeit geben, Herrn Professor Quenstadt wenigstens einen vernünftigen, interessanten Fall anzubieten, bei dem es sich lohnt, ihn vorzustellen. Ich verspreche Ihnen, daß Sie nun auch noch eine Weile in Ihrem Einzelzimmer bleiben können.«
X
Ariane Quenstadt hatte sich in ihr Zimmer zurückgezogen. Sie beschloß, sich an ihrem freien Abend auf die morgige Vorlesung vorzubereiten. Sie war schon mit dem Namen ihres Vaters auf dem Schwarzen Brett angezeigt. Zwar war es nicht das erstemal, daß sie eine solche Vorlesung hielt, aber sie wollte noch einmal alles durchgehen, wollte sich noch einige Tatsachen ins Gedächtnis zurückrufen und vor allem ihre Diapositive ordnen, mit denen sie ihre morgige Vorlesung untermalen wollte.
Sie überlegte, ob sie Oberarzt Wagner anrufen und ihm mitteilen sollte, daß sie schon im Lande sei. Das würde ihn sicherlich beruhigen, aber dann wäre die Überraschung, auf die sie sich so freute, verdorben. Sie stellte es sich so umwerfend komisch vor, wenn alle Assistenten auf den alten Professor Quenstadt warteten und statt dessen sie, eine Professorin, an das Rednerpult trat. Den Spaß wollte sie sich nicht entgehen lassen. Zwar wußte sie nicht, welche Fälle man ihr bestellen würde, aber das konnte sie nachher noch mühelos erfragen. Sie brauchte sich nur an Dr. Bruckner zu wenden, der, wie sie inzwischen erfahren hatte, für den Ablauf der Vorlesung verantwortlich war.
Immer wieder versuchte sie zu lesen, was sie ja eigentlich schon kannte. Aber immer wieder irrten ihre Gedanken ab und wanderten zu dem Mann hin, dem sie das Leben gerettet hatte, und in den sie sich, wie sie feststellen mußte, ganz
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