Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Nadel.

Titel: Die Nadel. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follettl
Vom Netzwerk:
wie sie nackt dalag und ihn dazu trieb, immer
     seltsamere und erotischere Dinge mit ihr anzustellen: ihr weh zu tun; sich selbst zuberühren; völlig still zu liegen, während sie aktiv war . . . Faber
     schüttelte leicht den Kopf, um die Erinnerung zu verscheuchen. In all den Jahren, in denen
     er enthaltsam gelebt hatte, waren ihm keine so verwirrenden Visionen gekommen. Er blickte
     Lucy an.
    »Sie waren weit weg«, sagte sie mit einem Lächeln.
    »Erinnerungen. Dieses Gespräch über die Liebe . . . «
    »Ich sollte Sie nicht
     mit meinen Problemen belasten.«
    »Das tun Sie nicht.«
    »Gute
     Erinnerungen?«
    »Sehr gute. Und Ihre? Sie haben doch auch nachgedacht.«
    Sie
     lächelte wieder. »Ich war in der Zukunft, nicht in der Vergangenheit.«
    »Was
     sehen Sie dort?«
    Sie schien antworten zu wollen, überlegte es sich dann aber
     anders, setzte noch einmal an, schwieg dann aber doch. Zeichen innerer Spannung waren um
     ihre Augen herum zu sehen.
    »Ich sehe, daß Sie einen anderen Mann finden.«
     Während Faber sprach, dachte er: Was soll das? »Er ist schwächer als David und sieht
     weniger gut aus. Aber Sie lieben ihn wegen seiner Schwächen. Er ist klug, aber nicht
     reich, mitfühlend, ohne sentimental zu sein, zärtlich, gütig, liebevoll. Er – « Das
     Brandyglas in ihrer Hand zersprang unter dem Druck ihrer Finger. Die Scherben fielen auf
     ihren Schoß und auf den Teppich, doch sie achtete nicht darauf. Faber ging hinüber zu
     ihrem Sessel und kniete vor ihr nieder. Ihr Daumen blutete. Er nahm ihre Hand.
    »Sie
     haben sich verletzt.«
    Lucy blickte ihn an. Sie weinte.
    »Es tut mir
     leid.«
    Die Schnittwunde war nicht tief. Sie zog ein Taschentuch aus der Hosentasche
     und stillte das Blut. Faber ließ ihre Hand los und begann, die Glasscherben
     aufzuheben. Wenn er Lucy doch nur geküßt hätte, als er eben die Gelegenheit dazu hatte!
     Er legte die Scherben auf den Kaminsims.
    »Ich wollte Sie nicht aus der Fassung
     bringen«, sagte er, und er dachte: Wollte ich das nicht?
    Sie nahm das Taschentuch weg und betrachtete ihren Daumen. Er blutete
     immer noch.
    Doch, ich wollte es! Und ich habe es geschafft, triumphierte er
     innerlich. »Vielleicht ein kleiner Verband«, schlug er vor.
    »In der Küche.«
    Er fand eine Rolle Verbandsmaterial, eine Schere und eine Sicherheitsnadel. Nachdem er
     eine kleine Schüssel mit heißem Wasser gefüllt hatte, ging er ins Wohnzimmer
     zurück.
    Sie sah nicht mehr verweint aus. Sie saß schlaff und teilnahmslos da,
     während er ihren Daumen in dem heißen Wasser badete, ihn trocknete und einen kleinen
     Verbandsstreifen über die Schnittwunde legte. Die ganze Zeit über blickte sie in sein
     Gesicht, nicht auf seine Hände, doch ihre Miene war nicht zu deuten.
    Als Faber
     fertig war, trat er unvermittelt zur Seite. Es war lächerlich; er hatte die Sache zu weit
     getrieben. Es war Zeit, daß jeder in sein Bett ging. »Ich glaube, ich sollte jetzt
     schlafen gehen.«
    Sie nickte.
    »Es tut mir leid – «
    »Hören Sie
     auf, sich zu entschuldigen. Es paßt nicht zu Ihnen.« Ihre Stimme klang barsch. Auch sie
     mußte das Gefühl haben, daß das alles ein bißchen zu weit gegangen war.
    »Bleiben Sie noch auf?« fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Bitte
     . . . « Er ging zur Tür und hielt sie auf.
    Lucy wich seinem Blick aus, als sie an
     ihm vorbeiging. Er folgte ihr durch den Flur und die Treppe hinauf. Während er zusah, wie
     sie die Stufen hinaufstieg, konnte er nicht anders, als sie sich in anderer Kleidung
     vorzustellen: Ihre Hüften wiegten sich leicht unter einem Seidenstoff, ihre langen Beine
     trugen Strümpfe statt einer grauen Wollhose, hochhackige Schuhe ersetzten die abgetragenen
     Filzpantoffeln.
    Oben auf der Treppe, auf dem winzigen Vorsprung, drehte sie sich um
     und flüsterte: »Gute Nacht.«
    »Gute Nacht, Lucy.«
    Sie sah ihn einen Moment lang an. Er wollte
     nach ihrer Hand greifen, doch sie ahnte, was er beabsichtigte, wandte sich rasch ab, betrat
     ihr Schlafzimmer und schloß die Tür, ohne sich noch einmal umzusehen. Er blieb mit
     ausgestreckter Hand und geöffnetem Mund stehen und fragte sich, was in ihr und – vor
     allem – was in ihm selbst vorgehen mochte.

VIERTER TEIL – KAPITEL 22
    loggs fuhr gefährlich
     schnell in einem beschlagnahmten Sunbeam Talbot mit frisiertem Motor durch die Nacht. Die
     hügeligen, gewundenen schottischen Straßen glänzten vom Regen, standen an einigen tiefen
     Stellen

Weitere Kostenlose Bücher