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Die Nadel.

Titel: Die Nadel. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follettl
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lächerlich das Ganze war. Sie brauchte die Liebe ihres Gatten, nicht Sex mit dem
     erstbesten Mann, der ihr über den Weg lief. Eine solche Frau war sie nicht.
    Nichtsdestrotrotz gefiel es ihr, sich auszumalen, was geschehen könnte. David und Jo
     schliefen fest; es gab nichts, was siedaran hindern könnte,
     aufzustehen, über den Treppenabsatz zu gehen, sein Zimmer zu betreten, zu ihm ins Bett zu
     schlüpfen . . .
    Nichts außer ihrer Wesensart, einer guten Herkunft und einer
     anständigen Erziehung.
    Wenn sie es mit jemandem tun würde, dann sollte es jemand
     wie Henry sein. Jemand, der nett und zärtlich und rücksichtsvoll zu ihr war, der sie
     nicht dafür verachtete, daß sie sich ihm andiente wie ein Straßenmädchen in Soho.
    Sie drehte sich im Bett um, lächelnd ob ihrer eigenen Torheit. Wie wollte sie
     überhaupt wissen, ob er sie verachten würde oder nicht? Sie kannte ihn ja erst seit einem
     Tag, und den Großteil dieses Tages hatte er im Schlaf verbracht.
    Doch es wäre
     angenehm, wenn er sie noch einmal anschaute, voller Bewunderung und ein wenig belustigt. Es
     wäre schön, seine Hände zu spüren, seinen Körper anzufassen und sich an seine warme
     Haut zu drücken.
    Lucy merkte, daß ihr Körper auf ihre Phantasien reagierte. Sie
     fühlte den Drang, sich zu berühren, und widerstand ihm, wie sie es seit vier Jahren getan
     hatte. Wenigstens bin ich nicht so vertrocknet wie eine alte Jungfer, dachte sie.
    Sie bewegte die Beine und seufzte, als sich ein Gefühl der Wärme in ihr
     ausbreitete. Das Ganze artete immer mehr aus. Sie mußte schlafen. Heute nacht würde sie
     weder Henry noch sonst jemanden lieben.
    Mit diesem Gedanken stand sie auf und ging
     zur Tür.
    Faber hörte einen Schritt auf dem Treppenabsatz
     und reagierte automatisch.
    Sofort verdrängte er die müßigen, lüsternen Gedanken,
     die ihn beschäftigt hatten. In einer einzigen flüssigen Bewegung schwang er die Beine auf
     den Fußboden und schlüpfte unter den Laken hervor; dann durchquerte er lautlos das Zimmer
     und blieb in der dunkelsten Ecke neben dem Fenster stehen, das Stilett in der Rechten.
    Er hörte, wie sich die Tür öffnete, wie der Eindringling hereinkamund wie die Tür sich wieder schloß. An dem Punkt begann er zu
     denken, statt bloß zu reagieren. Ein Mörder hätte die Tür offen gelassen, um schnell
     entkommen zu können. Außerdem gab es Hunderte von Gründen, die dagegen sprachen, daß
     ein Mörder ihn hier aufgespürt haben konnte.
    Faber schob den Gedanken beiseite –
     er hatte nur deshalb so lange überlebt, weil er auch die geringste Möglichkeit nicht
     außer acht ließ. Der Wind wurde für einen Moment schwächer, und er hörte ein
     verhaltenes Atmen, so daß er die genaue Position des Eindringlings ausmachen konnte. Er
     griff an.
    Er hatte den Gegner mit dem Gesicht nach unten auf das Bett geworfen –
     das Messer lag an seiner Kehle und das Knie über seinem Rücken –, bevor er merkte, daß
     der Eindringling eine Frau war. Einen Sekundenbruchteil später wußte er, wer es war. Er
     lockerte seinen Griff, streckte die Hand nach der Nachttischlampe aus und knipste das Licht
     an.
    Ihr Gesicht war bleich im trüben Schein der Lampe.
    Faber ließ das
     Messer in der Scheide verschwinden, bevor sie es sehen konnte. Er verlagerte sein Gewicht
     von ihrem Körper. »Es tut mir schrecklich leid«, sagte er. »Ich – «
    Lucy
     drehte sich auf den Rücken und blickte zu ihm hoch, während er sich mit gespreizten
     Beinen über sie setzte. Es war unerhört, aber irgendwie hatte sie die plötzliche
     Reaktion des Mannes mehr erregt denn je. Sie begann zu kichern.
    »Ich habe Sie für
     einen Einbrecher gehalten«, fuhr Faber fort. Er wußte, daß es lächerlich klang.
    »Und woher sollte ein Einbrecher kommen?« lachte sie. Ihr Gesicht bekam plötzlich
     Farbe.
    Lucy trug ein sehr loses, altmodisches Flanellnachthemd, das ihren Körper
     vom Hals bis zu den Knöcheln bedeckte. Ihr dunkelrotes Haar lag aufgelöst über Fabers
     Kissen gebreitet. Ihre Augen schienen sehr groß zu sein, und ihre Lippen waren feucht.
    »Sie sind sehr schön«, sagte Faber leise.
    Sie schloß die Augen.
    Faber
     beugte sich vor und küßte ihren Mund. Ihre Lippenöffneten sich
     sofort, und sie erwiderte hungrig seinen Kuß. Mit den Fingerspitzen streichelte er ihre
     Schultern, ihren Hals und ihre Ohren. Sie bewegte sich unter ihm.
    Er hätte sie gern
     lange geküßt, ihren Mund erforscht und die Nähe

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