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Die Nadel.

Titel: Die Nadel. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follettl
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begehrenswerter Mann, und daß er sich dessen nicht bewußt war, trug nur dazu bei, ihn
     noch attraktiver zu machen.
    Er versuchte, sich daran zu erinnern, wie viele Frauen
     er gehabt hatte: Anna, Grete, Ingrid, das amerikanische Mädchen, die beiden Prostituierten
     in Stuttgart . . . Er brachte sie nicht mehr alle zusammen, aber mehr als vielleicht
     zwanzig konnten es nicht gewesen sein.
    Keine von ihnen, dachte er, war so schön
     gewesen wie Lucy. Er seufzte mißmutig; er hatte sich von dieser Frau beeindrucken lassen,
     nur weil er fast zu Hause war und sich so lange hatte beherrschen müssen. Faber war
     ärgerlich über sich selbst. Sein Verhalten war undiszipliniert. Man durfte sich erst
     gehen lassen, wenn ein Auftrag erfüllt war, und dieser war es noch nicht ganz.
    Da war das Problem mit dem Versorgungsboot. Vielleicht war es am
     günstigsten, die Bewohner der Insel außer Gefecht zu setzen, selbst zum Boot zu gehen und
     dem Kapitän irgendein Ammenmärchen zu erzählen. Er könnte behaupten, daß er mit einem
     anderen Boot zu Besuch gekommen, daß er ein Verwandter oder ein Vogelbeobachter sei – es
     spielte keine Rolle. Das Problem war so unbedeutend, daß er sich mit ihm im Moment nicht
     näher beschäftigen wollte. Später, wenn das Wetter besser war, würde er sich etwas
     ausdenken.
    Er rechnete mit keinen ernsthaften Schwierigkeiten. Eine einsame Insel,
     Meilen von der Küste entfernt, mit nur vier Bewohnern – das war das ideale Versteck. Von
     jetzt an würde es so leicht sein, Großbritannien zu verlassen, wie aus dem Laufstall
     eines Kleinkindes hinauszuklettern. Wenn er an das dachte, was schon hinter ihm lag – die
     Menschen, die er umgebracht hatte: die vier Bürgerwehrmänner, den Jungen aus Yorkshire im
     Zug, den Abwehrkurier –, dann konnte ihm jetzt nicht mehr viel passieren.
    Ein
     alter Mann, ein Krüppel, eine Frau und ein Kind . . . Es würde so leicht sein, sie zu
     töten.
    Auch Lucy lag wach im Bett. Sie lauschte. Es gab viel
     zu hören. Das Wetter war wie ein Orchester: Der Regen trommelte auf das Dach, der Wind
     flötete durch die Dachrinnen des Häuschens, das Meer spielte glissando am
     Strand. Das Gebälk des alten Hauses ächzte unter den Stößen des Unwetters. Und die
     Geräusche im Zimmer: Davids langsames, regelmäßiges Atmen, das nie ganz zu einem
     Schnarchen wurde, weil er die doppelte Dosis Schlaftabletten genommen hatte, und die
     schnelleren, flachen Atemzüge von Jo, der sich auf einem Feldbett an der
     gegenüberliegenden Wand ausgestreckt hatte.
    Der Lärm hält mich wach, dachte Lucy,
     dann fragte sie sich sofort: Warum mache ich mir etwas vor? Sie konnte nicht schlafen
     Henrys wegen, der ihren nackten Körper betrachtet und ihre Hände sanft berührt hatte,
     während er ihren Daumen verband,und der jetzt im Zimmer nebenan
     wahrscheinlich in tiefem Schlummer lag. Wahrscheinlich.
    Er hatte ihr nicht viel von
     sich selbst erzählt, nur, daß er unverheiratet war. Sie wußte nicht, woher er stammte
     – sein Akzent lieferte keinen Anhaltspunkt. Er hatte nicht einmal angedeutet, was er
     beruflich tat, aber sie hielt ihn für einen Akademiker, vielleicht Zahnarzt oder
     Offizier. Er war nicht langweilig genug, um Zivilanwalt zu sein, zu intelligent, um als
     Journalist zu arbeiten, und Ärzte konnten ihren Beruf nach Lucys Meinung nie länger als
     fünf Minuten geheimhalten. Anwalt vor Gericht konnte er nicht sein, weil er nicht sehr
     reich war, und Schauspieler auch nicht, weil er kaum aus sich herausging. Jemand vom
     Militär.
    Lebte er allein, fragte sie sich. Oder mit seiner Mutter? Oder einer Frau?
     Was tat er, wenn er nicht fischte? Hatte er ein Auto? Ja, bestimmt; irgend etwas
     Ausgefallenes. Er fuhr vermutlich sehr schnell.
    Der Gedanke brachte Erinnerungen an
     Davids Zweisitzer zurück, und sie schloß die Augen ganz fest, um die Bilder dieses
     Alptraums zu verdrängen. Denk an etwas anderes, denk an irgendwas .
    Sie
     dachte wieder an Henry, und dabei wurde ihr etwas Merkwürdiges klar: Sie wollte mit ihm
     schlafen.
    Es war ein seltsamer Wunsch – ein Wunsch, der in ihrem Weltbild Männer,
     aber nicht Frauen überkam. Eine Frau mochte einen Mann schon nach kurzer Begegnung
     attraktiv finden, ihn vielleicht besser kennenlernen wollen, sich sogar in ihn
     verlieben. Aber sie verspürt kein unmittelbares körperliches Verlangen, wenn sie nicht
     . . . abnormal war.
    Lucy versuchte, sich selbst davon zu überzeugen, wie
    

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