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Die Nadel.

Titel: Die Nadel. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follettl
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Argumente für die Normandie beeindruckt. Außerdem
     halte ich viel von seinem Instinkt, der ihm fast immer recht gegeben hat. Deshalb glaube
     ich, daß unsere Panzer vor allem an der Normandieküste aufgestellt werden sollten. Eine
     Division käme vielleicht für die Mündung der Somme in Frage – unterstützt von
     Streitkräften, die nicht zu meiner Heeresgruppe gehören.«
    Guderian schüttelte
     ernst den Kopf. »Nein, nein, nein. Das ist viel zu riskant.«
    »Ich bin dazu
     bereit, dem Führer selbst meine Meinung vorzutragen«, sagte Rommel drohend.
    »Ihnen wird nichts anderes übrigbleiben«, sagte Guderian, »denn ich werde Ihrem Plan
     nicht zustimmen, es sei denn . . . «
    »Ja?« Rommel war überrascht, daß der
     Generalinspekteur eine Einschränkung gelten ließ.
    Guderian rückte auf seinem
     Stuhl hin und her. Es widerstrebte ihm, einem so halsstarrigen Gegner wie Rommel ein
     Zugeständnis zu machen. »Sie wissen vielleicht, daß der Führer auf einen Bericht von
     einem außerordentlich tüchtigen Agenten in England wartet.«
    »Ich erinnere
     mich«, nickte Rommel. »Von der Nadel.«
    »Ja. Er hat den Auftrag, die Stärke der
     First United States Army Group unter Patton in Ostengland zu erkunden. Wenn er herausfindet
     – wovon ich überzeugt bin –, daß diese Armee groß, schlagkräftig und einsatzbereit
     ist, werde ich mich weiter gegen Ihren Plan aussprechen. Wenn er jedoch herausfindet, daß
     FUSAG ein Bluff ist – eine kleine Armee, die sich als Invasionsstreitmacht tarnt –,
     dann gebe ich zu, daß Sie recht haben, und Sie werden Ihre Panzer bekommen. Akzeptieren
     Sie diesen Kompromiß?«
    Rommel nickte zustimmend. »Also hängt alles von der Nadel
     ab.«

FÜNFTER TEIL – KAPITEL 25
    ucy merkte ganz
     plötzlich, daß das Haus schrecklich klein war. Während sie ihren morgendlichen Arbeiten
     nachging – den Ofen anmachte, den Haferbrei zubereitete, aufräumte und Jo anzog –,
     schienen die Wände sie zu erdrücken. Schließlich waren es nur vier Räume, die durch
     einen kleinen Gang und eine Treppe verbunden waren; man konnte sich kaum bewegen, ohne
     dabei jemandem auf die Füße zu treten. Wenn man still stand und lauschte, konnte man
     hören, was jeder tat: Henry ließ Wasser in das Waschbecken laufen, David rutschte die
     Treppe hinunter, und Jo schimpfte seinen Teddybären im Wohnzimmer aus. Lucy wäre am
     liebsten eine Zeitlang allein gewesen, um die Ereignisse der Nacht ein wenig zu
     verarbeiten, so daß sie nicht ständig im Vordergrund ihrer Gedanken standen. Dann könnte
     sie sich ohne bewußte Anstrengung normal verhalten.
    Lucy fürchtete, daß die
     Verstellung ihr nicht leichtfallen würde, da sie damit keinerlei Erfahrung hatte. Sie
     versuchte, sich an eine andere Gelegenheit in ihrem Leben zu erinnern, bei der sie jemanden
     täuschen mußte, der ihr nahestand, aber es gelang ihr nicht. Dabei richtete sie ihr Leben
     nicht an hohen Idealen aus – der Gedanke an eine Lüge machte ihr nichts aus. Aber sie
     hatte einfach nie einen Grund gehabt, unehrlich zu sein. Bedeutete das, daß sie sehr
     behütet aufgewachsen war?
    David und Jo setzten sich an den Küchentisch und
     begannen zu essen. David war schweigsam, während Jo pausenlos vor sich hinbrabbelte, weil
     es ihm Spaß machte. Lucy wollte nichts essen.
    »Möchtest du nichts?« fragte David
     beiläufig.
    »Ich habe schon.« Ihre erste Lüge. Es war gar nicht so schlimm.
    Der Sturm schien das Gefühl der Enge noch zu verstärken. Der Regen fiel so dicht, daß
     Lucy den Schuppen vom Küchenfenster aus kaum sehen konnte. Der niedrige stahlgraue Himmelund die Nebelfetzen schufen ein ständiges Zwielicht. Im Garten strömte
     der Regen zwischen den Reihen der Kartoffelpflanzen hindurch, und im Gemüsebeet hatte sich
     ein kleiner Teich gebildet. Das Spatzennest unter der Dachkante des Schuppens war
     fortgeschwemmt worden, und die Vögel flatterten immer wieder aufgeschreckt unter den
     Dachvorsprung, kamen jedoch sogleich wieder hervor.
    Lucy hörte, wie Henry die
     Treppe herunterkam, und fühlte sich besser. Aus irgendeinem Grunde war sie davon
     überzeugt, daß es ihm sehr leichtfiel, sich zu verstellen.
    »Guten Morgen!« sagte Faber laut und herzlich. David, der in seinem
     Rollstuhl am Tisch saß, blickte auf und lächelte. Lucy machte sich am Herd zu
     schaffen. Ihr ganzes Gesicht spiegelte ihre Schuldgefühle wider. Faber stöhnte innerlich,
     doch David schien Lucys Miene nicht zu

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