Die Nadel.
bemerken. Faber begann David für einen Trottel zu
halten.
»Setzen Sie sich und frühstücken Sie, Henry«, sagte Lucy.
»Vielen Dank.«
»Auf einen Kirchgang müssen Sie leider verzichten«, meinte
David. »Mehr als fromme Gesänge aus dem Radio können wir nicht bieten.«
Faber
fiel ein, daß Sonntag war. »Gehen Sie regelmäßig in die Kirche?«
»Nein«,
erwiderte David. »Sie?«
»Nein.«
»Ein Sonntag unterscheidet sich für
einen Farmer kaum von anderen Tagen«, fuhr David fort. »Ich fahre zum anderen Teil der
Insel hinüber, um meinen Hirten zu treffen. Sie können mitkommen, wenn Sie sich dazu
imstande fühlen.«
»Gern«, antwortete Faber. Auf diese Weise konnte er alles
auskundschaften. Er mußte den Weg zu dem Häuschen mit dem Funkgerät kennen. »Möchten
Sie, daß ich fahre?«
David sah ihn scharf an. »Ich komme ganz gut zurecht.« Ein
kurzes gespanntes Schweigen folgte. »Bei diesem Wetter gibt esdie
Straße nur noch in meinem Kopf. Mit mir am Steuer werden wir viel besser dran sein.«
»Natürlich.« Faber begann zu essen.
»Mir ist es gleich«, sagte David, für
den das Thema noch nicht beendet war. »Ich will auf keinen Fall, daß Sie mitkommen, wenn
es Ihnen zuviel ist – «
»Aber nicht doch, es würde mich freuen.«
»Haben Sie gut geschlafen? Ich habe nicht daran gedacht, daß Sie noch müde sein
könnten. Hoffentlich mußten Sie wegen Lucy nicht zu lange aufbleiben.«
Faber
zwang sich, Lucy nicht anzusehen. Aus den Augenwinkeln konnte er erkennen, daß sie bis zu
den Haarwurzeln rot wurde. »Ich habe gestern den ganzen Tag geschlafen«, sagte er und
versuchte, Davids Blick auf sich zu lenken.
Es gelang nicht. David schaute seine
Frau an. Er wußte Bescheid. Sie wandte ihm den Rücken zu.
David würde jetzt
feindselig sein, und Feindseligkeit und Mißtrauen lagen dicht beieinander. Das war nicht
gefährlich, doch es könnte lästig werden.
David gewann rasch seine Fassung
zurück. Er schob seinen Rollstuhl vom Tisch weg und fuhr zur Hintertür. »Ich hole den
Wagen aus dem Schuppen«, murmelte er. Dann nahm er eine Ölhaut von einem Haken, zog sie
über den Kopf, öffnete die Tür und war im Freien.
In den wenigen Augenblicken, da
die Tür offenstand, blies der Sturm in die kleine Küche hinein, so daß der ganze
Fußboden naß wurde. Als sie wieder geschlossen war, zitterte Lucy und begann das Wasser
von den Fliesen aufzuwischen.
Faber streckte die Hand aus und berührte ihren
Arm.
»Nicht.« Als Warnung warf sie ruckartig den Kopf in Richtung des kleinen
Jungen.
»Du bist albern«, sagte Faber.
»Ich glaube, er weiß alles.«
»Aber, wenn du mal kurz nachdenkst, es macht dir in Wirklichkeit nichts aus, ob er es
weiß oder nicht, oder?«
»Es sollte mir was ausmachen.«
Faber zuckte die Achseln. Die Hupe des Geländewagens ertönte ungeduldig. Lucy reichte ihm eine Ölhaut und ein Paar Gummistiefel.
»Sprecht nicht von mir«, bat sie.
Faber zog die wasserdichte Kleidung an und ging zur Vordertür. Lucy folgte ihm und schloß die Tür zur Küche, in der Jo zurückgeblieben war.
Mit der Hand auf der Verriegelung drehte Faber sich um und küßte sie.
Sie erwiderte seinen Kuß leidenschaftlich, wandte sich dann um und ging in die Küche zurück.
Faber rannte über ein Meer aus Schlamm durch den Regen und sprang neben David in das Fahrzeug, der sofort anfuhr.
Der Geländewagen war auf die Bedürfnisse eines Fahrers zugeschnitten, der keine Beine hatte. Der Gashebel konnte von Hand bedient werden, und es gab eine Automatikschaltung. Ein Griff am Lenkrad machte es möglich, daß der Wagen auch einhändig gesteuert werden konnte. Der zusammengeklappte Rollstuhl paßte in ein besonderes Fach hinter dem Fahrersitz. In einem Netz oberhalb der Windschutzscheibe lag eine Schrotflinte.
David fuhr mit großem Geschick. Mit der Straße hatte er recht gehabt: Sie war nicht mehr als ein Streifen, der von den Rädern des Wagens durch die Heidelandschaft radiert worden war. Der Regen sammelte sich in den tiefen Spurrillen. Es schien David Vergnügen zu bereiten, daß der Wagen im Matsch hin und her rutschte. Er hatte eine Zigarette zwischen den Lippen und wirkte unangemessen herausfordernd. Vielleicht war dies sein Ersatz für das Fliegen.
»Was tun Sie, wenn Sie nicht angeln?« Die Worte kamen gequetscht aus seinem Mund.
»Bin Beamter.«
»In welcher Sparte?«
»Finanzen. Ich bin nur ein Rädchen im
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