Die Nadel.
sehr genau hinhören, um ihn zu verstehen, da sein schottischer Akzent sehr breit war.
»Ich hoffe, daß ich Ihnen nicht im Wege bin«, sagte Faber. »Ich wollte nur mitfahren.«
David rollte zum Tisch hinüber. »Ich glaube nicht, daß wir heute morgen viel tun werden, Tom – wir wollen uns nur etwas umsehen.«
»Gut. Aber erst mal trinken wir ’n bißchen Tee.«
Tom goß starken Tee in drei Becher und gab jeweils einen Schuß Whisky hinzu. Die Männer sagten nichts und tranken schlürfend. David rauchte eine Zigarette, und Tom zog sanft anseiner Pfeife. Faber war sicher, daß die beiden auf diese Weise viel Zeit zusammen verbrachten.
Als sie ausgetrunken hatten, stellte Tom die Becher in den flachen Steinausguß, und sie fuhren mit dem Geländewagen hinaus. Faber saß auf dem Rücksitz. David fuhr jetzt langsam. Der Hund, er hieß Bob, rannte in großen Sätzen neben ihnen her, was ihn offenbar keine große Anstrengung kostete. Es fiel auf, daß David das Gelände sehr gut kannte, denn er lenkte den Wagen sicher über das offene Grasland, ohne daß er ein einziges Mal in sumpfigem Boden steckenblieb. Die Schafe schienen sehr unzufrieden mit ihrem Los. Ihre Vliese trieften, sie drängten sich in Senken, in der Nähe von Brombeersträuchern oder an windgeschützten Hängen zusammen und schienen nicht grasen zu wollen. Selbst die Lämmer versteckten sich hinter ihren Müttern.
Faber beobachtete den Hund, der plötzlich stehenblieb, einen Moment lang lauschte und dann wie ein Pfeil davonschoß.
Auch Tom hatte ihn beobachtet. »Bob hat was gefunden«, sagte er.
Der Wagen fuhr etwa eine Viertelmeile dem Hund hinterher. Als sie anhielten, konnte Faber das Meer hören. Sie waren dicht am nördlichen Ende der Insel. Der Hund stand am Rand einer kleinen Schlucht. Als die Männer ausgestiegen waren, konnten sie den Grund für Bobs Verhalten erkennen: sie hörten das Blöken eines Schafes in Not. Sie schauten vom Rand der Schlucht hinab.
Das Tier lag etwa zwanzig Fuß tief auf der Seite und hielt gerade noch das Gleichgewicht auf dem steil abfallenden Ufer. Ein Vorderlauf stand ungelenk ab. Tom kletterte vorsichtig hinunter und untersuchte das Bein. »Hammel heute abend«, rief er.
David holte das Gewehr aus dem Fahrzeug und ließ es hinabgleiten. Tom erlöste das Schaf von seiner Qual.
»Sollen wir es mit dem Seil hochziehen?« fragte David.
»Ja – oder vielleicht kann Henry runterkommen und mir helfen.«
»Natürlich«, sagte Faber. Er bahnte sich seinen Weg zu Tom hinab. Sie
packten beide je ein Bein und schleiften das tote Tier den Hang empor. Fabers Ölhaut
verfing sich in einem Dornenbusch, und er wäre fast gestürzt, ehe er sich mit einem
lauten Ratschen losreißen konnte.
Sie warfen das Schaf in den Wagen und fuhren
weiter. Faber war sehr naß geworden. Er bemerkte, daß er fast den ganzen Rückenteil der
Ölhaut abgerissen hatte. »Ich fürchte, ich habe das gute Stück ruiniert«, sagte
er.
»Alles für ’n guten Zweck.«
Kurz darauf waren sie wieder in Toms
Haus. Faber zog das zerrissene Ölzeug und seine nasse Arbeitsjacke aus, und Tom legte die
Jacke zum Trocknen über den Ofen. Faber setzte sich dazu.
Tom setzte den Kessel auf
und ging dann nach oben, um eine neue Flasche Whisky zu holen. Faber und David wärmten
ihre klammen Hände.
Der Gewehrschuß ließ sie zusammezucken. Faber stürzte in die
Diele und die Stufen hinauf. David folgte ihm und hielt seinen Rollstuhl am Fuß der Treppe
an.
Faber fand Tom in einem kleinen, kahlen Raum. Der Alte lehnte aus dem Fenster
und schüttelte die Faust gegen den Himmel. »Daneben«, sagte er.
»Was
war’s?«
»Adler.«
Unten lachte David.
Tom legte die Schrotflinte
neben einen Pappkarton. Er nahm eine neue Flasche Whisky aus dem Karton und ging voraus die
Treppe hinab.
David war schon wieder in der Küche, im Warmen. »Das erste Schaf,
das wir dieses Jahr verloren haben«, sagte er, in Gedanken zu dem toten Schaf
zurückgekehrt.
»Ja.«
»Im Sommer zäunen wir die Schlucht ein.«
»Ja.«
Faber spürte, daß die Stimmung sich verändert hatte. Sie saßen,
tranken und rauchten wie zuvor, doch David wirkte unruhig. Zweimal ertappte Faber ihn
dabei, daß er ihn, tief in Gedanken versunken, anstarrte.
Schließlich sagte David:
»Ich überlasse es Ihnen, das Schaf zu zerlegen, Tom.«
»Ja.«
David und
Faber verließen das Haus. Tom blieb sitzen, doch der Hund begleitete sie zur Tür.
Bevor er sein
Weitere Kostenlose Bücher