Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Nadel.

Titel: Die Nadel. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follettl
Vom Netzwerk:
wieder im
     Blick. Der Agent ging in Richtung Piccadilly. Von dem Verfolger war nichts zu sehen. Faber
     folgte dem Agenten.
    Der Mann betrat die U-Bahn-Station am Piccadilly Circus und
     löste eine Fahrkarte nach Stockwell. Faber fiel sofort ein, wie er einfacher dorthin
     gelangen konnte. Er verließ die Station, ging schnell zum Leicester Square und nahm einen
     Zug der Northern Line. Der Agent würde in Waterloo umsteigen müssen, während Fabers Zug
     durchfuhr. Faber würde also Stockwell zuerst erreichen.
    Tatsächlich mußte Faber vor der Station in Stockwell 25 Minuten warten,
     bis der Agent auftauchte. Faber folgte ihm wieder. Er ging in ein Lokal.
    Es gab
     überhaupt keine Möglichkeit, sich in der Nähe des Lokals aufzuhalten, ohne irgendwie
     Verdacht zu erregen: keine Ladenfenster, keine Parkbänke, keine Bushaltestelle und keinen
     Taxistand. Faber mußte also die Straße auf und ab gehen und dabei so tun, als habe er ein
     Ziel. Wenn er von dem Lokal aus nicht mehr gesehen werden konnte, ging er auf der anderen
     Straßenseite zurück. Die ganze Zeit über saß der Agent in der warmen, dunstigen Kneipe,
     trank einen warmen Tee und aß einen heißen Toast.
    Nach einer halben Stunde kam er
     wieder heraus. Faber folgte ihm durch eine Reihe von Wohnstraßen.
    Der Agent hatte
     es nicht eilig. Er ging wie jemand, der nach Hause zurückkehrt und für den Rest des Tages
     nichts mehr zu tun hat. Da er sich nie dabei umschaute, dachte Faber: Also tatsächlich ein
     Amateur.
    Endlich ging er in ein Haus – eines der schäbigen, anonymen,
     unauffälligen Pensionen, denen Spione überall den Vorzug geben. Unter dem Dach war ein
     Fenster. Dort würde das Zimmer des Agenten sein, ganz oben zum besseren Funkempfang.
    Faber ging am Haus vorbei und musterte die gegenüber liegende Straßenseite. Ja –
     dort. Eine Bewegung hinter einem Fenster im Obergeschoß. Er erhaschte einen flüchtigen
     Blick auf ein Jackett und eine Krawatte, ein Gesicht, das wieder verschwand. Die Gegenseite
     war auch hier. Der Agent mußte gestern zum Treffpunkt gefahren sein und nicht bemerkt
     haben, daß der MI5 ihm nach Hause folgte – das heißt natürlich, wenn er nicht selbst
     zum MI5 gehörte.
    Faber bog um die Ecke, ging die nächste Parallelstraße hinunter
     und zählte die Häuser. Fast unmittelbar hinter dem Gebäude, das der Agent betreten
     hatte, lag die Ruine eines zerbombten Doppelhauses. Sehr gut.
    Auf dem Weg zurück
     zur Station war sein Gang beschwingter,sein Herz schlug einen Takt
     schneller, und sein Blick war hellwach. So gefiel es ihm. Das Spiel hatte begonnen.
    In dieser Nacht zog er sich schwarz an: eine Wollmütze, einen
     Rollkragenpullover unter einer kurzen ledernen Fliegerjacke, eine in die Socken gesteckte
     Hose, Schuhe mit Gummisohlen – alles in Schwarz. Er würde fast unsichtbar sein, da auch
     London in der Verdunklung schwarz war.
    Faber fuhr auf dem Fahrrad, dessen
     Beleuchtung gedämpft war, durch ruhige Gassen und vermied die Hauptstraßen. Es war nach
     Mitternacht, und er sah niemanden. Eine Viertelmeile vor seinem Ziel kettete er sein Rad
     mit einem Vorhängeschloß an den Zaun im Hof eines Pubs an.
    Er ging nicht zum Haus
     des Agenten, sondern zu der Ruine in der nächsten Straße. Vorsichtig bahnte er sich
     seinen Weg durch das Geröll im Vorgarten, trat durch den klaffenden Eingang und
     durchquerte das Haus. Es war sehr dunkel. Ein dichter Vorhang aus niedrigen Wolken
     verhüllte den Mond und die Sterne. Faber mußte langsam mit vorgestreckten Händen
     gehen.
    Er erreichte das Ende des Hintergartens, sprang über den Zaun und schlich
     durch die nächsten beiden Gärten. In einem der Häuser bellte einen Moment lang ein
     Hund.
    Der Garten der Pension war ungepflegt. Faber geriet in einen
     Brombeerstrauch. Die Dornen zerkratzten ihm das Gesicht. Er duckte sich unter einer
     Wäscheleine hindurch – das Licht reichte gerade, um sie zu erkennen.
    Nachdem er
     das Küchenfenster gefunden hatte, nahm er einen kleinen Meißel mit schaufelförmiger
     Klinge aus der Tasche. Der Fensterkitt war alt und brüchig und löste sich hier und dort
     schon. Nach zwanzig Minuten lautloser Arbeit nahm er die Scheibe aus dem Rahmen und legte
     sie behutsam in das Gras. Er leuchtete mit einer Taschenlampe durch das Loch, um sich zu
     vergewissern, daß ihm nichts den Weg versperrte, und kletterte hinein.
    In dem
     verdunkelten Haus roch es nach gekochtem Fischund
     Desinfektionsmittel.

Weitere Kostenlose Bücher