Die Nadel.
stechenden Schmerz im Rücken und öffnete den Mund, um
zu schreien.
Er hatte sie auf der Treppe stolpern hören. Wenn sie noch eine Minute
länger gewartet hätte, wären der Sender wieder in seinem Koffer und die Codebücher in
der Schublade gewesen, und sie hätte nicht zu sterben brauchen. Bevor er das
Beweismaterial jedoch hatte verstecken können, war der Schlüssel im Schloß zu hören
gewesen. Als sie die Tür öffnete, hatte das Stilett schon in seiner Hand gelegen.
Da sie sich in seinen Armen wand, verfehlte Faber ihr Herz mit dem ersten Stich der
Waffe. Er mußte ihr die Finger in den Rachen stecken, um sie am Schreien zu hindern. Noch
einmal stieß er zu, doch sie bewegte sich wieder, so daß die Klinge eine Rippe traf und
nur ihre Haut oberflächlich ritzte. Dann spritzte das Blut heraus, und er wußte, daß es
keine saubere Arbeit sein würde. Das war es nie, wenn man nicht mit dem ersten Stoß
traf.
Sie zappelte jetzt zu sehr, um mit einem Stich getötet zu werden. Er ließ
die Finger in ihrem Mund, packte sie mit dem Daumen am Kinn und stieß sie gegen die Tür
zurück. Ihr Kopf knallte gegen das Holz. Wenn er nur das Radio nicht leiser gestellt
hätte! Aber wie hätte er so etwas auch ahnen sollen?
Er zögerte, bevor er sie
umbrachte, denn es wäre viel besser, wenn sie auf dem Bett stürbe – besser für die
Vertuschung, die er schon zu planen begann –, aber wie konnte er sie dorthin schaffen,
ohne Lärm zu machen. Er packte ihr Kinn noch fester, preßte ihren Kopf gegen die Tür, so
daß sie ihn nicht bewegen konnte, und holte weit aus. Die Klinge riß ihr fast die ganze
Kehle auf, denn das Stilett war kein Messer mit scharfer Schneide. Faber mochte diese
Tötungsart nicht sonderlich.
Er sprang zurück, um den Blutspritzern auszuweichen,
und machte dann wieder einen Schritt nach vorne, um sie aufzufangen, bevor sie zu Boden
fiel. Danach schleppte er sie zum Bett, wobei er versuchte, ihren Hals nicht anzusehen, und
legte sie hin.
Faber hatte schon vorher getötet, weshalb er mit der Reaktion
rechnete: Sie kam immer, sobald er sich sicher fühlte. Erging hinüber
zu dem Ausguß in der Zimmerecke und wartete darauf. Sein Gesicht war in dem kleinen
Rasierspiegel zu sehen. Es war weiß, und seine Augen blickten starr. Er betrachtete sein
Spiegelbild und dachte: Mörder . Dann übergab er sich.
Danach fühlte er
sich besser. Jetzt konnte er an die Arbeit gehen. Er wußte, was zu tun war. Noch während
er sie getötet hatte, waren ihm die Einzelheiten klargeworden.
Er wusch sich das
Gesicht, putzte sich die Zähne und säuberte das Waschbecken. Dann setzte er sich an den
Tisch neben das Funkgerät. Er schaute in sein Notizbuch, fand die Stelle und begann, den
Code zu senden. Es war eine lange Meldung – über die Aufstellung einer Armee für
Finnland. Mittendrin wurde er unterbrochen; er schrieb die Mitteilung in Chiffre auf den
Notizblock. Als er fertig war, verabschiedete er sich mit: »Grüße an Willi.«
Nachdem Faber das Sendegerät säuberlich in einen Spezialkoffer eingepackt hatte,
verstaute er seine restlichen Habseligkeiten in einen zweiten Koffer. Er zog seine Hose
aus, tupfte die Blutflecke mit einem Schwamm ab und wusch sich dann am ganzen Körper.
Schließlich blickte er zu der Leiche hinüber.
Jetzt war sie ihm
gleichgültig. Es war Krieg, und sie waren Feinde. Sie oder er! Die Frau war eine Bedrohung
gewesen; nun verspürte er nur noch Erleichterung darüber, daß diese Bedrohung beseitigt
war. Sie hätte ihn nicht erschrecken sollen.
Trotzdem war der letzte Schritt
widerwärtig. Er öffnete ihren Morgenrock, hob ihr Nachthemd und zog es bis zu ihrer
Hüfte hoch. Sie trug einen Schlüpfer. Er zerriß ihn, so daß ihr Schamhaar zu sehen
war. Arme Frau, sie hatte ihn nur verführen wollen! Aber er hätte sie nicht aus dem
Zimmer bekommen, ohne daß sie den Sender gesehen hätte. Die britische Propaganda hatte
eine Art Agentenhysterie verbreitet, die ans Lächerliche grenzte. Wenn die Abwehr
tatsächlich über so viele Spione verfügte, wie die Zeitungen behaupteten, hätten die
Briten den Krieg schon längst verloren.
Er trat zurück und betrachtete die Leiche mit gesenktem Kopf. Irgend
etwas stimmte nicht. Er versuchte, sich in die Lage eines Sexualverbrechers
hineinzuversetzen. Wenn ich wahnsinnig vor Begierde nach einer Frau wie Una Garden wäre
und sie getötet hätte, nur um
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