Die Nadel.
er nichts sehen konnte. Faber wußte
nicht, ob es sich um Regen oder Gischt handelte. Der Wind kappte jetzt die Spitzen der
Wellen. Er steckte den Kopf für einen Moment aus der Kabinentür, und sein Gesicht wurde
patschnaß.
Er schaltete das Funkgerät ein. Es summte kurz und beganndann zu knistern. Er drehte an der Frequenzeinstellung, hörte da und dort
kurz hinein und fing ein paar verstümmelte Funksprüche auf. Das Gerät funktionierte
einwandfrei. Faber ging auf die Frequenz des U-Bootes und schaltete dann ab – es war noch
zu früh, um Kontakt aufzunehmen.
Die Wellen wurden um so höher, je weiter er aufs
offene Meer vorstieß. Nun bäumte sich das Boot wie ein störrisches Pferd bei jeder Welle
auf, verharrte einen Moment lang unschlüssig auf dem Kamm und tauchte dann aus
erschreckender Höhe hinunter ins nächste Tal. Es war völlig Nacht geworden, und Faber
starrte blind aus dem Kabinenfenster hinaus. Er fühlte sich leicht seekrank.
Immer
wenn er sich eingeredet hatte, daß die Wellen auf keinen Fall höher werden konnten, hob
ein neues Ungeheuer, das größer war als die bisherigen, das Boot dem Himmel entgegen. Sie
folgten immer dichter aufeinander, so daß das Heck des Bootes ständig entweder gen Himmel
oder zum Meeresboden hinab zeigte. In einem besonders tiefen Wellental wurde das kleine
Boot plötzlich von einem Blitz erleuchtet. Faber sah, wie ein graugrüner Wasserberg sich
auf den Bug senkte und das Deck und die Kabine überschwemmte. Er wußte nicht, ob das
Krachen, das eine Sekunde später ertönte, von dem Donnerschlag herrührte oder daher,
daß die Planken des Bootes barsten. In fieberhafter Eile durchsuchte er die kleine Kabine
nach einer Schwimmweste. Es gab keine.
Blitze kamen nun in rascher Folge. Faber
packte das festgeklemmte Ruder und stemmte sich mit dem Rücken gegen die Kabinenwand, um
aufrecht stehen zu bleiben. Es hatte keinen Sinn, das Ruder zu bedienen – das Boot wurde
willkürlich vom Meer hin und her geworfen.
Faber sagte sich immer wieder, daß das
Boot dafür gebaut sein mußte, solchen Sommerstürmen standzuhalten, aber er glaubte das
selbst nicht. Erfahrene Seeleute hätten die Zeichen des Sturms bemerkt und wären an Land
geblieben, da sie wußten, daß ihr Boot für dieses Unwetter nicht geeignet war.
Inzwischen hatte er keine Ahnung mehr, wo er war. Er konnte fast wieder
in Aberdeen sein oder auch an seinem Treffpunkt. Faber setzte sich auf den Kabinenboden und
schaltete das Funkgerät an. Das wilde Schaukeln und Zittern des Bootes machten es schwer,
das Gerät zu bedienen. Als es warmgelaufen war, drehte er an der Einstellungsskala herum,
bekam aber nichts herein. Auch bei voller Lautstärke war nichts zu hören.
Die
Antenne mußte sich aus ihrer Halterung auf dem Kabinendach gelöst haben.
Er
stellte auf Senden und wiederholte die einfache Mitteilung »Bitte kommen« mehrere Male;
dann blieb er auf Empfang. Er hatte wenig Hoffnung, daß sein Funkspruch durchkam.
Faber stellte den Motor ab, um Benzin zu sparen. Er mußte versuchen, den Sturm zu
überstehen, und dann einen Weg finden, die Antenne zu reparieren oder zu
ersetzen. Vielleicht würde er das Benzin noch brauchen.
Das Boot neigte sich
erschreckend zur Seite, während es an der nächsten großen Welle hinabglitt. Faber sah
ein, daß er die Kraft des Motors benötigte, damit das Boot frontal auf die Wellen
traf. Er zog am Anlasser, doch nichts geschah. Nachdem er mehrere Male gezogen hatte, gab
er es auf und verfluchte sich wegen seiner Dummheit.
Das Boot schlingerte so stark,
daß Faber hinfiel und mit dem Kopf gegen das Ruder krachte. Er lag benommen auf dem
Kabinenboden und rechnete damit, im nächsten Moment zu kentern. Eine neue Welle donnerte
gegen die Kabine – diesmal zersplitterte das Fensterglas. Plötzlich befand sich Faber
unter Wasser. Er war sicher, daß das Boot sank, rappelte sich auf und kam wieder
hoch. Alle Fenster waren geborsten, aber das Boot schwamm immer noch. Faber trat die
Kabinentür auf, so daß das Wasser hinausströmte. Er klammerte sich an das Ruder, um
nicht selbst ins Meer hinausgeschwemmt zu werden.
Es war unglaublich, aber der Sturm
wurde noch schlimmer. Wahrscheinlich gab es in diesen Breiten ein solches Unwetter
höchstens einmal im Jahrhundert. Das war einer von Fabers letztenzusammenhängenden Gedanken, dann waren seine ganze Aufmerksamkeit und
Willenskraft nur
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