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Die Nadel.

Titel: Die Nadel. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follettl
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wie eine Brücke zur
     Spitze der Klippen führte. Er wußte, wenn er das Boot verließ, würde ihn auf dem Strand
     die nächste große Welle mit Tonnen von Wasser ertränken oder ihm den Kopf an dem Felsen
     zerschmettern wie ein aufgeschlagenes Ei. Aber wenn er zwischen zwei Wellen die
     Anlegestelle erreichte, konnte er vielleicht weit genug an der Brücke hochklettern, um dem
     Wasser zu entkommen.
    Bei der nächsten Welle brach das Deck auseinander, als wäre
     das gehärtete Holz nicht stärker als eine Bananenschale. Das Boot brach unter seinen
     Füßen zusammen, und Faber wurde von der zurückflutenden Brandung mitgerissen. Seine
     Beine schienen ihn kaum tragen zu können, doch er rappelte sich auf und rannte patschend
     durch das seichte Wasser auf die Anlegestelle zu. Nie in seinem Leben war ihm etwas
     schwerer gefallen, als diese wenigen Meter zurückzulegen. Er wollte stolpern, damit
     er sich im Wasser hinlegen und sterben konnte, doch er hielt sich aufrecht – genau wie
     damals, als er den 5000-Meter-Lauf gewonnen hatte –, bis er gegen einen Pfahl der
     Anlegestelle krachte. Er zwang seine Hände dazu, für ein paar Sekunden wieder gelenkig zu
     werden, reckte sich und packte die Planken. Faber zog sich bis zum Kinn über den
     Rand. Dann schwang er die Beine hoch und rollte sich hinüber.
    Die Welle kam, als er
     sich hinkniete. Er warf sich nach vorne. Die Welle trug ihn ein paar Meter weit und
     schleuderte ihn dann brutal gegen die Planken. Er schluckte Wasser und sah Sterne vor den
     Augen. Als die Last von seinem Rücken geglitten war, bot er seine ganze Willenskraft auf,
     um sich zu bewegen. Doch er schaffte es nicht und merkte, wie er unerbittlich ins Meer
     zurückgezogen wurde. Plötzlich übermannte ihn die Wut. Er wollte sich nicht geschlagen
     geben, jetzt schon gar nicht! Faberbrüllte seinen Haß auf den Sturm,
     das Meer, die Briten und Percival Godliman hinaus, und auf einmal war er auf den Beinen und
     rannte vor dem tosenden Meer davon. Er lief die Rampe hinauf, mit geschlossenen Augen und
     offenem Mund. Seine Knochen schienen fast zu brechen, und seine Lunge war dem Bersten
     nahe. Er hatte kein Ziel, doch er wußte, daß er so lange laufen würde, solange er noch
     denken konnte.
    Die Rampe war lang und steil. Ein starker Mann, durchtrainiert und
     ausgeruht, hätte es vielleicht bis ganz nach oben schaffen können. Ein müder
     Olympiakämpfer wäre vielleicht bis zur Hälfte gekommen. Ein normaler Mann von vierzig
     Jahren hätte einen oder zwei Meter geschafft.
    Faber erreichte die Spitze.
    Einen Meter vor dem Ende der Rampe hatte er einen leichten Herzanfall und verlor das
     Bewußtsein, doch seine Beine machten noch zwei Schritte, bevor er auf den durchweichten
     Grasboden knallte.
    Er konnte sich später nicht mehr daran erinnern, wie lange er
     dort gelegen hatte. Als er die Augen öffnete, wütete der Sturm immer noch, aber es war
     Tag geworden, und er konnte ein paar Meter weiter weg ein Häuschen erkennen, das bewohnt
     aussah.
    Faber raffte sich auf und begann auf Knien die endlose Strecke bis zur Tür
     zu kriechen.

DRITTER TEIL – KAPITEL 18
    505 beschrieb gelangweilt
     einen Kreis; seine mächtigen Elektroturbinen schnurrten langsam vor sich hin, während es
     sich wie ein grauer, zahnloser Hai durch die Tiefe schob. Kapitänleutnant Werner Heer
     trank Ersatzkaffee und versuchte, nicht noch mehr Zigaretten zu rauchen. Es war ein langer
     Tag und eine lange Nacht gewesen. Er war eine Kämpfernatur, aber mit Feindberührung war
     hier nicht zu rechnen. Deshalb mißfiel ihm dieser Einsatz; und vor allem mißfiel ihm der
     ruhige Abwehroffizier mit den verschlagenen blauen Augen, ein unwillkommener Gast auf
     seinem U-Boot.
    Der Abwehrmann, Major Wohl, saß dem Kapitän gegenüber. Der
     verfluchte Kerl sah nie müde aus! Seine blauen Augen blickten sich um, nahmen alles wahr,
     aber ihr Ausdruck veränderte sich nie. Trotz der Härten des Lebens unter Wasser war seine
     Uniform nie zerknittert. Pünktlich alle zwanzig Minuten steckte er sich eine neue
     Zigarette an und rauchte sie so lange, bis ein Stummel von knapp einem Zentimeter
     übrigblieb. Am liebsten hätte Heer aufgehört zu rauchen, damit er der Vorschrift Geltung
     verschaffen und Wohl daran hindern konnte, seinen Tabak zu genießen; doch dazu war er
     selbst dem Nikotin zu sehr verfallen.
    Leute vom Nachrichtendienst waren Heer immer
     unsympathisch, da er das Gefühl nie los wurde, daß sie

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