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Die nächste Begegnung

Die nächste Begegnung

Titel: Die nächste Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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Während Richard sich in lyrischen Tönen über ein Antriebssystem erging, das imstande war, diesen >Behemoth von Raumschiff< derart zu beschleunigen, versorgte ich Simone und dachte dabei wieder über ihre Zukunft nach. Also verschwinden wir unwiderruflich aus dem Sonnensystem, sagte ich zu mir, und reisen in die Fremde. Werde ich jemals eine neue Welt sehen? Wird Simone es? Ist es möglich, meine kleine Tochter, dass Rama dein ganzes Leben lang deine Heimat sein soll?
    Der Boden bebt heftig weiter, doch ich finde das tröstlich. Richard sagt, unsere Fluchtgeschwindigkeit steigt immer noch rapide an. Gut. Wenn wir schon an einen neuen Ort gehen, möchte ich so schnell wie möglich hinkommen.

    4
    05-06-2201
    Erwachte gestern mitten in der Nacht von einem hartnäckigen Pochen, das aus dem vertikalen Schacht unserer Höhle kam. Obwohl der normale Lärmpegel des konstanten Bebens beträchtlich ist, konnten Richard und ich ohne Schwie ri gkeiten das Hämmern deutlich hören. Wir überzeugten uns, dass Simone ruhig schlief, dann gingen wir vorsichtig zu dem Schacht hinüber.
    Während wir die Stufen zum Schutzrost hinaufstiegen, der uns vor unerwünschtem Besuch abschirmt, wurde das Pochen lauter. Auf einem Absatz beugte sich Richard zu mir und flüsterte, es >muss MacDuff sein, der ans Tor pocht<, und dass unsre >üble Tat< bald entdeckt sein würde. Ich war zu angespannt und konnte nicht lachen. Wir waren noch einige Meter unterhalb des Gitters, als wir vor uns auf der Wand einen breiten beweglichen Schatten sahen. Wir blieben stehen, um zu beobachten. Wir erkannten beide sofort, dass die äußere Schutzdecke über dem Schachteinstieg geöffnet war — droben in Rama war zu dem Zeitpunkt Tag— und dass eine ramanische Kreatur oder ein Biot da draußen diesen bizarren Schatten warf und für das Pochen verantwortlich war.
    Instinktiv umklammerte ich Richards Hand. »Was ist das, um Himmels willen?«, fragte ich laut.
    »Es muss was Neues sein«, antwortete Richard sehr leise.
    Ich sagte, der Schatten erinnere mich an eine altmodische auf und nieder schwingende Pumpe auf einem Ölfeld. Er grinste nervös und gab mir recht.
    Nach etwa fünf Minuten weiteren Abwartens, ohne dass sich visuell oder akustisch etwas an dem Klopfrhythmus des Besuchers verändert hätte, erklärte Richard, er werde zum Gitter hinaufklettern, wo er etwas mehr als einen bloßen Schatten zu sehen hoffte. Das bedeutete aber natürlich auch, dass wer oder was da draußen an unsre Haustür klopfte, auch ihn sehen konnte, vorausgesetzt, es hatte Augen oder einen vergleichbaren Apparat. Aus irgendeinem Grund fiel mir in diesem Moment Dr. Takagishi ein, und mich durchlief ein Angstschauder. Ich gab Richard einen Kuss und bat ihn, kein Risiko einzugehen.
    Als er den obersten Absatz erreicht hatte, direkt über mir, kam sein Körper teilweise ins Licht und verdeckte den bewegten Schatten. Das Pochen brach abrupt ab. »Es ist tatsächlich ein Biot«, rief Richard zu mir herab. »Sieht aus wie eine Mantis, 'ne Gottesanbeterin mit 'nem Extragreifer mitten im Gesicht.«
    Dann fügte er hinzu: »Und jetzt knackt das Ding den Rost!« Er sprang sofort vom Sims und war wieder neben mir. Er packte mich an der Hand, und wir hasteten nebeneinander ein paar Treppen abwärts. Erst mehrere Absätze weiter unten, zurück in unserem Wohnbereich, hielten wir an.
    Über uns vernahmen wir Bewegungen. »Hinter der Mantis war noch eine zweite und mindestens ein biotischer Bulldozer«, sagte Richard atemlos. »Kaum hatten die mich gesehen, fingen sie an, das Gitter zu beseitigen. Anscheinend haben die bloß angeklopft, um uns auf sich aufmerksam zu machen..
    »Aber was wollen sie denn von uns?« Meine Frage war natürlich rein rhetorisch. Das Lärmen über uns wurde lauter. »Es klingt wie 'ne ganze Armee«, bemerkte ich.
    Sekunden später hörten wir sie die Treppen herabkommen. »Wir müssen uns bereitmachen abzuhauen«, sagte Richard hastig. »Du holst Simone — ich wecke Michael.«
    Wir rannten durch den Gang zu unseren Wohnquartieren. Michael war von dem Lärm bereits wach geworden, und Simone regte sich ebenfalls. Wir drängten uns im Hauptraum auf dem rüttelnden Boden gegenüber dem schwarzen Wandschirm zusammen und warteten auf die Eindringlinge. Richard hatte für die Ramaner auf dem Keyboard eine Order vorbereitet, die nach Eingabe von zwei Zusatzbefehlen dazu führen sollte, dass der Schwarzschirm nach oben glitt — genau wie jedes Mal, wenn unsere unsichtbaren

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