Die nächste Begegnung
unterzogen werden? Richard ist sicher, wir sollen irgendwie untersucht werden, doch Michael hält dagegen, es sei >mit der Persönlichkeit der Ramaner unvereinbar<, wie wir sie bislang >beobachten konnten<, dass sie uns als Versuchstiere benutzen könnten. Ich musste über diesen Kommentar lachen. Michael breitet den Mantel seines unheilbaren religiösen Optimismus' inzwischen auch schon über die Ramaner. Wie Voltaires Docteur Pangloss glaubt auch er unentwegt, dass wir im besten aller möglichen Universen leben.
Der/die/das Ober-Mantis hielt sich immer in der Nähe auf, meist oben auf dem Umlauf des Tanks, bis wir alle vier dann wirklich in den Hängematten lagen. Richard wies uns darauf hin, dass die Matten zwar in unterschiedlicher Höhe verankert seien, dass wir aber alle auf ungefähr die gleiche Position sinken würden, wenn wir mal drinlägen. Das Geflecht ist etwas elastisch und erinnert an die Netzgeflechte, denen wir früher bereits in Rama begegneten. Als ich heute Nachmittag mein Lager ausprobierte, erinnerte mich die Nachgiebigkeit an die Furcht, aber auch an die Fröhlichkeit bei meinem wundersamen Flug über die Zylindrische See. Wenn ich die Augen schloss, war es gar nicht schwer, mir vorzustellen, dass ich wieder in dem schwingenden Harnisch ein paar Meter über dem Wasser hing und von den drei gewaltigen Flugwesen in die Freiheit getragen wurde.
An der Höhlenwand — von unserem Wohnbereich aus hinter dem Tank — sind mehrere dicke Rohre, die direkt zum Tank führen. Wir vermuten, sie sollen den Tank mit irgendeiner Flüssigkeit füllen. Nun, wahrscheinlich werden wir das ja bald genug herausfinden.
Und? Was sollen wir jetzt tun? Wir sind alle drei einhellig der Meinung, dass wir einfach abwarten sollten. Zweifellos wird man irgendwann von uns erwarten, dass wir in den Tank steigen und 'ne Weile dortbleiben. Aber wir müssen eben voraussetzen, dass man uns auch informieren wird, wann es an der Zeit ist.
10-06-2201
Richard hat recht gehabt. Er war sicher, dass dieser intermittierende tiefe Pfeifton gestern früh einen erneuten Übergang der Flugphase ankündigen sollte. Er schlug sogar vor, wir sollten in den neuen Tank übersiedeln und es uns jeder in seiner Hängematte bequem machen. Michael und ich widersprachen, weil wir fanden, wir hätten bei weitem nicht genug Informationen, um zu derart überstürzten Folgerungen zu gelangen.
Aber wir hätten auf Richard hören sollen. Wir kümmerten uns nicht um die Alarmpfeife und setzten unser normales (falls der Begriff auf eine Existenz in einem Raumschiff außerirdischer Herkunft jemals adäquat sein sollte) Routineleben fort. Etwa drei Stunden später tauchte plötzlich in der Tür unseres >Wohnzimmers< die Ober-Mantis auf und erschreckte mich fast zu Tode. Sie zeigte mit ihren eigenartigen Fingern den Gang hinab und ließ keinen Zweifel daran, dass wir uns wohl besser schleunigst in Bewegung setzen sollten.
Simone schlief noch und nahm es gar nicht gnädig auf, dass ich sie weckte. Außerdem war sie hungrig, aber die Mantis-Biotin erlaubte mir nicht, sie zu stillen. Also brüllte Simone schlechtgelaunt, während wir durch unsre Höhle zum Tank getrieben wurden.
Auf der Gangway um den Tank erwartete uns eine weitere Aufsichts-Mantis. Das Wesen hielt uns transparente Helme in den Klauen entgegen. Es muss sich auch hier um so etwas wie einen Inspektor gehandelt haben, denn die zweite Mantis ließ uns einfach nicht zu den Hängematten hinuntersteigen, bevor sie sich überzeugt hatte, dass die Helme richtig auf unserm Kopf saßen. Die Plastik- oder Glas-Kombination, aus der die Sichtschale der Helme besteht, ist bemerkenswert; man sieht durch sie völlig klar und deutlich. Auch der Rand ist außerordentlich: eine klebrige, gummiartige Zusammensetzung, die sich der Haut ganz fest anschmiegt und einen luftdichten Verschluss bildet.
Wir lagen erst dreißig Sekunden in unseren Matten, als uns ein gewaltiger Druck mit solcher Gewalt gegen das Gewebe presste, dass wir halb in den leeren Tank hinabsanken. Unmittelbar darauf wickelten sich winzige Fäden (die aus dem Mattenstoff zu wachsen schienen) um unsre Körper und ließen nur die Arme, den Hals und den Kopf für Bewegungen frei. Ich schaute zu Simone hinüber, ob sie weinte: Sie lächelte ihr breitestes Babylächeln!
Inzwischen hatte sich der Tank allmählich mit einer hellgrünen Flüssigkeit zu füllen begonnen. Ihre Dichte war wohl der unsrer Körper recht ähnlich, denn wir schwammen an der
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