Die nächste Begegnung
Oberfläche, bis sich der Deckel über uns schloss und der Tank bis obenhin von dieser Flüssigkeit angefüllt war. Ich glaubte zwar nicht, dass wir wirklich in Gefahr sein könnten, aber ich empfand dennoch Entsetzen, als sich der — Tankdeckel über unsre Köpfe schob. Ein bisschen klaustrophobisch sind schließlich auch die Besten unter uns.
Die starke Beschleunigung hielt die ganze Zeit an. Glücklicherweise herrschte im Tank nicht völlige Dunkelheit. Im Tankdeckel verstreut waren winzige Lichter. Und dabei konnte ich Simone neben mir sehen, und sie hüpfte in ihrer Matte wie eine Boje auf und ab. Und ich konnte sogar in einiger Entfernung Richard erkennen.
Wir blieben knapp über zwei Stunden im Tank. Richard fieberte vor Erregung, als wir es hinter uns hatten. Er versicherte Michael und mir, wir hätten soeben seiner Überzeugung nach >bestimmt einen Test< mitgemacht, um festzustellen, wie wir auf exzessive Krafteinwirkungen reagierten.
»Denen reichen einfach die bisherigen kläglichen Beschleunigungen nicht«, erklärte er uns jubelnd. »Die Ramaner wollen wirklich auf Tempo gehn. Und dafür muss das Raumschiff natürlich langperiodischen hohen Beschleunigungskräften standhalten. Unser Tank hier wurde konstruiert, um uns hinlänglich abzupolstern ... damit unsere mangelhafte biologische Bauart sich den ungewöhnlichen Umweltbedingungen anpassen kann.«
Richard saß den ganzen Tag über seinen Berechnungen, und vor ein paar Stunden legte er uns seine >vorläufige< Rekonstruktion des >gestrigen Beschleunigungsgeschehens< vor. »Da, schaut es euch doch an!«, brüllte er, kaum noch fähig, sich unter Kontrolle zu halten. »Wir haben in diesen knappen zwei Stunden eine Geschwindigkeitsveränderung durchgemacht, die siebzig Kilometersekunden entspräche. Für ein Raumschiff von den Ausmaßen Ramas ist so was einfach monströs! Wir haben die ganze Zeit mit fast zehn g beschleunigt!. Dann grinste er uns an. »Der Kahn hier hat 'nen höllischen Overdrive-Motor.«
Nachdem wir den Test im Tank hinter uns hatten, setzte ich ein neues Biometrie-Set bei uns allen ein, auch bei Simone. Ich habe bisher keinerlei ungewöhnliche Reaktionen festgestellt, jedenfalls hat nichts die Warnschwelle überschritten, doch ich gebe zu, dass ich noch immer etwas besorgt bin, wie wir körperlich auf den Stress reagieren werden. Erst vor ein paar Minuten hat Richard mich mild abgekanzelt. Er sagte: »Die Ramaner p as sen doch bestimmt ebenfalls auf!« Damit meinte er wohl, d as s meine Biometrie-Checks unnötig seien. »Ich wette, die be ziehen ihre Daten über diese Fäden.«
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19-06-2201
Mein Wortschatz reicht nicht aus, um zu beschreiben, wie die Erfahrungen der letzten paar Tage waren. Ein Wort wie >unglaublich< etwa ist einfach völlig unzulänglich, um diese außergewöhnlichen Erfahrungen während der langen Stunden im Tank zu vermitteln. Die einzigen bisherigen, aber nur entfernt vergleichbaren Erfahrungen in meinem Leben waren beide Male durch die Einnahme von Chemokatalysanten ausgelöst: beim ersten Mal, als ich sieben war, bei der PoroZeremonie an der Elfenbeinküste, und später, erst vor kurzem (?), als ich unten in der Grube in der Rama-Scheune gefangen saß und die Flüssigkeit aus der Phiole Omehs trank. Doch waren diese beiden >Trips< oder >visionären Zustände< (oder was immer sie waren) Einzelerfahrungen und von jeweils relativ kurzer Dauer. Meine jüngsten diesbezüglichen Erlebnisse dagegen in unserm Tank dauerten stundenlang.
Doch ehe ich mich total in die Beschreibung meiner inne ren Bewußtseinswelt stürze, sollte ich vielleicht doch erst die >realen< Ereignisse der vergangenen Woche umreißen, damit die halluzinativen Episoden im rechten Zusammenhang erscheinen. Unser Tagesablauf folgt inzwischen einem konstanten, steten Muster. Unser Raumschiff setzt seine Manöver fort, allerdings in zwei unterschiedlichen Verfahrensweisen: einer >regulären<, bei der zwar der Untergrund bebt, alles herumfliegt, aber ein quasi-normales Leben aufrechterhalten werden kann, und einem Zustand des >Overdrive<, bei dem Rama scheußlich heftig beschleunigt, und Richard schätzt, dass das inzwischen elf g übersteigt.
Wenn das Schiff im Overdrive ist, müssen wir vier Menschen im Tank sein. Diese Overdrive-Perioden dauern pro siebenundzwanzig Stunden plus sechs Minuten, also dem sich wiederholenden Zyklus, etwas weniger als acht Stunden. Es ist offensichtlich beabsichtigt, dass wir während der Overdrive- Perioden
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