Die nächste Begegnung
Wohltäter uns mit einem neuen Produkt beglückten. »Wenn wir angegriffen werden«, sagte Richard, »riskieren wir es in den Tunnels hinter dem Schirm.«
Es verstrich eine halbe Stunde. Aus dem Lärm aus dem Treppenschacht konnten wir schließen, dass die Eindringlinge sich bereits bis auf unser Niveau herabgearbeitet hatten, aber keiner war bisher in den Gang vorgedrungen, der zu unserem Wohnbereich führte. Nach einer weiteren Viertelstunde wurde Richard von seiner Neugier überwältigt. »Ich zieh los und sondiere die Lage«, sagte er und zog los.
Knapp fünf Minuten später war er zurück. »Es sind fünfzehn, vielleicht zwanzig«, berichtete er mit verwirrtem Stirnrunzeln. »Insgesamt drei von diesen Mantis, plus zwei unterschiedliche Biotentypen von Bulldozern. Anscheinend bauen sie was am anderen Ende des Grubensystems.«
Simone war wieder eingeschlafen. Ich legte sie in ihre Krippe, dann folgte ich den beiden Männern zu der Lärmquelle. Als wir an das Rondell gelangten, von dem aus die Treppen nach New York hinaufführen, stießen wir auf hektisch wirbelnde Aktivität. Es war unmöglich, sämtliche Aktivitäten auseinanderzuhalten, die auf der gegenüberliegenden Seite vor sich gingen. Die Mantis schienen die Bulldozer-Bioten zu leiten, während diese einen horizontalen Gang am anderen Ende des Rundsaales vorantrieben.
»Hat einer von euch die leiseste Idee, was die da machen?«, flüsterte Michael.
»Nicht die geringste«, erwiderte Richard damals.
Jetzt sind fast vierundzwanzig Stunden vergangen, und uns ist noch immer nicht völlig klar, was die Bioten da bauen. Richard glaubt, der Erweiterungsstollen soll irgendwelche neuen Einrichtungen aufnehmen. Er brachte auch die Hypothese vor, dass diese ganze hektische Aktivität höchstwahrscheinlich etwas mit uns zu tun haben müsse, weil sich ja das alles schließlich in unserem Bau abspiele.
Die Bioten schuften ununterbrochen, ohne Erholungs-, Ess- oder Schlafpause. Sie folgen anscheinend einem Generalplan oder führen einen bis ins kleinste Detail ihnen übertragenen Arbeitsprozess durch, denn es findet keinerlei merkbare Kommunikation zwischen ihnen statt. Diese unerbittliche Aktivität hat etwas Beängstigendes. Die Bioten ihrerseits haben nicht das geringste Zeichen von sich gegeben, dass sie unsere Gegenwart bemerkt haben.
Vor einer Stunde sprachen wir zu dritt kurz darüber, wie frustriert wir uns fühlen, weil wir nicht wissen, was rings um uns geschieht. Dabei lächelte Richard auf einmal. »Es ist doch wirklich gar nicht so dramatisch anders als die Situation auf der Erde«, sagte er vage. Als Michael und ich ihn drängten, sich präziser auszudrücken, wedelte er nur mit der Hand durch die Luft. »Auch daheim auf der Erde«, sagte er geistesabwesend, »ist unser Wissen schmerzlich beschränkt. Die Suche nach der Wahrheit war schon immer von starken Frustrationserfahrungen begleitet.«
08-06-2201
Ich kann es einfach nicht begreifen, wie die Bioten es in dermaßen kurzer Zeit fertigbrachten, die neue Anlage zu beenden. Vor zwei Stunden hampelte schließlich der Letzte von ihnen — sozusagen die Bautruppleiter-Mantis, die uns heute am frühen Nachmittag vermittels der >Hand< in ihrer >Gesichts<- Mitte bedeutete, wir könnten jetzt den neuen Raum besichtigen — die Treppen hinauf und verschwand. Richard behauptet, sie sei in unserm Bau geblieben, bis sie sicher gewesen ist, dass wir auch alles kapiert hätten.
Der einzige Gegenstand in dem neuen Raum ist ein schmaler, rechteckiger Tank, der offensichtlich für uns bestimmt ist. Die Seitenflächen sind aus einem schimmernden Metall und etwa drei Meter hoch. An beiden Schmalseiten führt eine Leiter vom Boden bis zum Rand. Und außen herum verläuft wenige Zentimeter unterhalb des Randes ein stabiler Laufsteg.
In der rechteckigen Wanne sind vier geflochtene Hängematten von Wand zu Wand befestigt. Sie sind jeweils speziell für uns vier Familienmitglieder gebaut. Die Hängematten für Michael und Richard sind am Tankende: Simone und ich haben unsere Webbetten dazwischen in der Mitte, und ihre Miniaturausgabe ist dicht neben meinem Lager.
Natürlich hat Richard das ganze Arrangement bereits eingehend untersucht. Da der Tank einen Deckel hat und die Matten einen halben bzw. einen Meter unterhalb des Randes angebracht sind, schloss er, dass der Tank sich schließen kann und dann möglicherweise mit einer Flüssigkeit gefüllt werden soll. Aber wozu wurde er gebaut? Sollen wir einem Test
Weitere Kostenlose Bücher