Die nächste Begegnung
ausgestattet.«
Nicole zwang sich ein Lächeln ab. »Sehr optimistisch klingst du ja nicht gerade, mein Guter.«
»Warum sollte ich es sein? Nichts von dem, was ich hier in New Eden oder auf der Erde gesehen habe, legt mir den zwingenden Schluss nahe, dass die Menschheit jemals zu einem harmonischen Miteinander fähig sein wird, ganz zu schweigen von einem friedlichen harmonischen Leben mit irgendwelchen anderen Lebewesen. Ab und zu gibt es mal eine Einzelperson — vielleicht sogar eine Gruppe, die es fertigbringt, über die fundamentalen genetischen und environ-mentalistischen Beschränktheiten unserer Spezies hinauszuwachsen ... Aber das sind dann Wunderwesen, ganz bestimmt nicht die Normaltypen. «
»Ich kann dir da nicht zustimmen«, sagte Nicole leise. »Dein Standpunkt ist mir zu pessimistisch. Ich glaube, die meisten Menschen sehnen sich verzweifelt nach dieser Harmonie. Wir wissen nur einfach nicht, wie wir es anstellen sollen, sie zu erreichen. Und deshalb ist mehr und bessere Erziehung so nötig. Und mehr gute Vorbilder.«
»Für diesen rothaarigen Rowdy? Meinst du, dem könnte man durch Erziehung seine Intoleranz abgewöhnen?«
»Ich muss das glauben, Lieber ...«, sagte Nicole. »Sonst ... ich fürchte, sonst würde ich einfach aufgeben.«
Richard gab einen Laut von sich, der halbwegs zwischen Husten und Lachen lag.
»Was ist denn?«, fragte Nicole.
»Oh, ich hab mir nur grad überlegt«, antwortete Richard, »ob Sisyphos sich jemals der trügerischen Hoffnung hingegeben hat zu glauben, dass der Felsbrocken das nächste Mal, wenn er ihn fast bis auf den Bergkamm geschafft hat, nicht wie der hinunterrollt.«
Nicole musste lächeln. »Er hat einfach glauben müssen, dass die Chance bestand, dass der Fels doch oben auf dem Kamm bleibt, oder er hätte die Plackerei nicht durchgehalten ... Jedenfalls denk ich mir das so.«
9
Als Kenji Watanabe in Hakone aus dem Zug stieg, war es ihm unmöglich, nicht an jene andere Begegnung mit Toshio Nakamura zurückzudenken, die vor Jahren und auf einem Milliarden Kilometer entfernten Planeten stattgefunden hatte. Auch damals hatte er mich angerufen, dachte Kenji. Er bestand darauf dass wir über Keiko »reden« müssten.
Er blieb vor einem Schaufenster stehen und richtete die Krawatte gerade. In seinem verzerrten Abbild konnte er sich leicht als den früheren idealistischen Kyotoer Jungen vorstellen, der sich zu einer Begegnung mit einem Nebenbuhler anschickt. Aber das war vor so langer Zeit, sagte er sich, und es ging um nicht viel mehr als um unseren Stolz. Jetzt aber stehen die Geschicke unsrer ganzen Kleinwelt .. .
Nai, seine Frau, war gegen dieses Treffen mit Nakamura gewesen. Sie hatte ihn gedrängt, Nicole um ihre Meinung zu bitten. Und auch Nicole hatte Einwände vorgebracht. Sie hatte gesagt: »Er ist ein Betrüger, ein machthungriger Größenwahnsinniger. Eine derartige Begegnung kann nichts Gutes bringen. Er will nur deine Schwachstellen herausfinden.«
»Aber er hat gesagt, dass er die Spannungen in der Kolonie verringern könne.«
»Und zu welchem Preis, Kenji? Sei vorsichtig, wo es um seine Bedingungen geht. Der Mann tut nie was umsonst.«
Also, wieso bist du dann dennoch hergekommen ?, fragte eine Stimme in Kenjis Kopf, als er den riesigen Palast betrachtete, den sich der Gefährte seiner Knabenjahre erbaut hatte. Und eine zweite Stimme antwortete: Ich bin mir nicht ganz sicher. Vielleicht aus Ehrgefühl? Selbstachtung? Einem tief in mir angelegten Erbteil.
Nakamuras Palast und die umliegenden Wohnhäuser waren im klassischen Kyoto-Stil aus Holz erbaut. Die blauen Ziegeldächer, sorgfältig gepflegten Gärten, die schützenden Bäume, die makellos sauberen Gehwege — ja selbst der Duft der Blüten erinnerten Kenji an seine Heimatstadt.
Am Tor empfing ihn ein reizendes junges Mädchen in Sandalen und Kimono, verneigte sich tief und begrüßte ihn in der vollendeten traditionellen japanischen Form: »Ohairi kudasai.« Kenji stellte seine Schuhe in das Regal und schlüpfte ebenfalls in Sandalen. Das Mädchen führte ihn mit gesenkten Augen durch ein paar im westlichen Stil eingerichtete Räume in den Palastbereich, der mit Tatamis ausgelegt war und in dem, wie es hieß, Nakamura ein Gutteil seiner freien Stunden sich mit seinen Konkubinen >ergötzte<.
Das Mädchen schob eine Papierwand beiseite, die mit fliegenden Kranichen geschmückt war. »Dozo«, sagte sie mit einer Geste, die ihn zum Eintreten aufforderte. Kenji trat in den
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