Die nächste Begegnung
überlangen Pause begann der Biot zu sprechen: »Bist du Richard Wakefield?«, fragte die Maschine.
Richard machte weder eine Bewegung noch sagte er etwas.
»Wenn du das bist«, sagte der Biot schließlich, »dann habe ich dir eine Nachricht von deiner Frau zu überbringen. Sie sagt: Ich liebe dich und der Himmel beschütze dich ...«
Richard atmete tief und langsam durch. »Sag ihr, dass auch ich sie liebe ...«
Der Prozess
1
An der tiefsten Stelle des Lake Shakespeare befand sich ein unverschlossener Zugang zu einem langgestreckten Untergrundtunnel, der vom Beauvois-Village bis zur Außenwand des New-Eden-Moduls führte. Richard, der über beträchtliche praktische Erfahrung mit Eventualitätsplanung verfügte, hatte beim Entwurf für New Eden drastisch auf die Wichtigkeit eines Notausgangs aus der Kolonie verwiesen.
»Wozu solltet ihr das brauchen?«, hatte der Adler gefragt.
»Das weiß ich nicht«, hatte Richard geantwortet. »Aber es treten im Leben oft unvorhergesehene Situationen ein. Und eine solide Planung bezieht stets auch unerwartete Pannen und Notfälle und die Sicherung dagegen ein.«
Richard durchschwamm den Tunnel vorsichtig. Er verlangsamte alle paar Minuten sein Tempo und überprüfte seinen Sauerstoffvorrat. Am Ende des Tunnels musste er eine Reihe von Luken passieren und gelangte schließlich in einen wasserfreien unterirdischen Gang. Er ging noch etwa hundert Meter weiter, ehe er sein Tauchgerät ablegte und es an der Tunnelwandung bereitlegte. Als er den Ausgang erreicht hatte, der am Ostrand des eingefriedeten Areals lag, das die beiden Habitate im Nordhalbzylinder von Rama umfasste, zog er aus seinem wasserdichten Pack die Thermaljacke.
Zwar war ihm klar, dass wohl kaum jemand wissen konnte, wo er sich befand, doch öffnete Richard die runde Deckenluke mit äußerster Vorsicht. Dann hievte er sich auf die Zentralebene hinauf. Na, bisher ging's ja recht glatt, dachte er mit einem Seufzer der Erleichterung. Und jetzt Plan Beta.
Vier Tage lang hielt er sich im östlichen Bereich der Ebene auf. Mit Hilfe seiner hervorragenden Miniatur-Ferngläser konnte er die Lichter ausmachen, die auf gewisse Aktivitäten um die Steuerzentrale, den Av al on-Bereich und das Sondierungscamp vor dem zweiten Habitat hinwiesen. Wie Richard erwartet und befürchtet hatte, gab es ein, zwei Tage lang Suchtrupps im Gebiet zwischen den zwei Habitaten, aber nur eine Gruppe stieß in seine Richtung vor, und er konnte sich mühelos vor ihnen verstecken.
Seine Augen gewöhnten sich an die Lichtverhältnisse auf der Zentralebene, die er ursprünglich für völlig finster gehalten hatte. Tatsächlich aber gab es hier ein schwaches Hintergrundlicht, das auf den Widerschein auf der Innenwandung Ramas zurückzuführen war. Richard zog den Schluss, dass die Quelle oder die Quellen der Lumineszenz im Südhemizylinder liegen mussten, jenseits der rückwärtigen Begrenzungsmauer des zweiten Habitats.
Er wünschte sich, er könnte fliegen, um die Wälle zu überwinden und frei in der Zylinderweltenweite umherzuschweben. Aber dass es dieses sehr schwache Restlicht gab, erregte seine Neugier, wie es um Rama sonst bestellt sein mochte. Gab es südlich der Sperrmauer noch die Zylindrische See? Und mittendrin auf einer Insel New York? Und was mochte im südlichen Halbzylinder sein, wenn überhaupt etwas? Ein eventuell noch weiterer Bereich als der, in dem die beiden Habitate der Nordseite angesiedelt waren?
Am fünften Morgen nach seinem Aufbruch erwachte Richard aus einem besonders bestürzenden Traum, in dem sein Vater eine Rolle gespielt hatte, und machte sich auf den Weg zu dem Avianer-Habitat, wie er es inzwischen nannte. Er hatte seinen Wach-Schlaf-Rhythmus so umgestellt, das dieser nun genau umgekehrt zum Tagesablauf in New Eden ablief ... also musste es in der Kolonie jetzt sieben Uhr abends sein. Gewiss hatten die an der >Bohrstelle< Beschäftigten für diesmal bereits Feierabend gemacht.
Ungefähr einen halben Kilometer von dem Loch in der Mauer des avianischen Habitats entfernt, hielt er inne und suchte durch sein Fernglas die Stelle ab, um sich zu vergewissern, dass keine Menschen sich mehr dort herumtrieben. Dann schickte er Falstaff los, um den Wach-Bioten abzulenken.
Er war nicht sicher, wie gleichmäßig der Durchmesser des Stollens in das zweite Habitat sein mochte. In seinem Arbeitszimmer hatte er auf den Fußboden ein Quadrat von achtzig Zentimetern Seitenlänge gezeichnet und war dann zu der
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