Die nächste Begegnung
Sonnensystem geflitzt wären, die Sonne umrundet und sich dann fröhlich wieder verzogen hätten? Absolut zero! Und wie du ja selbst bereits angedeutet hast, gibt es vielleicht an Bord noch andere Fremdlinge, wenn wir uns denn als solche bezeichnen wollen. Ich bezweifle allerdings, dass viele Spezies die Fähigkeit besitzen .. .
In einer Gesprächspause erinnerte ich die Männer daran, dass die Zylindrische See bald vom Boden herauf zu schmelzen beginnen und dass es unmittelbar darauf Hurrikane und Flutwellen geben werde. Später beschlossen wir einstimmig, wir sollten das Ersatz-Segelboot aus dem Beta-Lager herbeischaffen.
Die Männer brauchten für den Hin- und Rückweg übers Eis etwas länger als zwölf Stunden. Als sie wieder da waren, war die Nacht bereits angebrochen. Als sie dann wieder bei uns in der Höhle waren, reckte Simone — die ihre Umgebung bereits völlig klar wahrnimmt — die Ärmchen Michael entgegen.
»Wie ich sehe, freut sich da jemand, dass ich wieder da bin«, sagte Michael scherzhaft.
»Solang es nur Simone ist«, sagte Richard. Er wirkte merkwürdig verkrampft und geistesabwesend.
Gestern Abend hielt diese sonderbare Verstimmung bei ihm weiter an. »Was ist denn los, Liebling?«, fragte ich, als wir allein auf unsrer Matte lagen. Er gab mir nicht gleich Antwort, also küsste ich ihn auf die Wange und wartete.
»Es ist wegen Michael«, sagte er schließlich. »Mir ist erst heut, während wir das Segelboot übers Eis schleppten, klar geworden, dass er in dich verliebt ist. Du solltest ihn mal hören. Er redet von nichts andrem als von dir. Du bist die perfekte Mutter, die perfekte Ehefrau, die perfekte Freundin. Er hat sogar zugegeben, dass er mich beneidet.«
Ich streichelte Richard kurz, während ich mir überlegte, was ich antworten sollte. »Ich glaube, du misst einer beiläufigen Bemerkung zu viel Bedeutung bei, Liebster«, sagte ich schließlich. »Michael will damit doch nur seine ehrliche Zuneigung ausdrücken. Und ich mag ihn schließlich ebenfalls sehr gern ...«
»Weiß ich — und genau das stört mich dabei«, unterbrach mich Richard heftig. »Fast die ganze Zeit kümmert er sich um Simone, wenn du zu tun hast ... und während ich an meinen Projekten arbeite, redet ihr beiden stundenlang miteinander ...«
Er hielt inne und starrte mich mit einem seltsam verlorenen Blick an. Es war beängstigend. Das war nicht der Richard Wakefield, mit dem ich über ein Jahr intim zusammen war. Mir schoss ein Frösteln durch den Leib, aber dann wurden seine Augen sanft, und er beugte sich zu mir herüber und küsste mich.
Danach liebten wir uns, und dann schlief er ein. Simone rührte sich, und ich beschloss, sie zu stillen. Dabei überdachte ich noch einmal den ganzen Zeitabschnitt, seit Michael uns am Talpunkt des Sessellifts fand. Es gab absolut nicht den kleinsten Anlass für Richard, eifersüchtig zu sein. Auch sexuell lief alles geregelt und befriedigend während dieser ganzen Zeit, obwohl ich zugeben muss, dass es da seit Simones Geburt nicht übermäßig einfallsreich zuging.
Der verwirrte Ausdruck in Richards Augen verfolgte mich weiter, auch nachdem Simone getrunken hatte. Ich gelobte mir, dass ich in den kommenden Wochen mehr Zeit abzweigen würde, um mit Richard allein zu sein.
6
20-06-2202
Habe heute den definitiven Nachweis, dass ich wieder schwanger bin. Michael war entzückt, Richards Reaktion war erstaunlich zurückhaltend. Unter vier Augen gab er mir dann zu, er habe da gemischte Gefühle, weil Simone ja endlich das Stadium erreicht hätte, wo sie nicht länger >ständige Aufmerksamkeit< beanspruche. Ich erinnerte ihn, dass er begeistert zugestimmt hatte, als wir vor zwei Monaten darüber sprachen, noch ein Kind zu haben. Richard meinte, seine Bereitwilligkeit, ein zweites Kind zu zeugen, sei doch >stark< beeinflusst worden von meiner damaligen >sichtlichen Begeisterung<.
Das Kind müsste Mitte März kommen. Bis dahin sind wir mit dem Kinderzimmer fertig und haben dann ausreichend Platz für die ganze Familie. Es tut mir ja leid, dass Richard von der Vorstellung seiner erneuten Vaterschaft nicht sonderlich hingerissen ist, aber ich bin doch recht froh, dass Simone nun einen Spielgefährten bekommen soll.
15-03-2203
Catherine Colin Wakefield (wir werden sie Katie rufen) wurde am 13. März um 6:16 Uhr morgens geboren. Die Geburt war leicht, nur vier Stunden zwischen der ersten heftigen Kontraktion bis zur Entbindung. In keinem Moment bemerkenswerte Schmerzen.
Weitere Kostenlose Bücher