Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die nächste Begegnung

Die nächste Begegnung

Titel: Die nächste Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
Vom Netzwerk:
die Demonstration ebenfalls anschauten, und Richard wurde mit beifälligem Avianergeschnatter belobigt. Aber man ließ ganz rasch von ihm ab, als ein anderer Vogel hereinstürmte und die Vorführung mit anscheinend wichtigen Nachrichten über die laufende Krise unterbrach.
    Also kehrte Richard deprimiert in seine Zelle zurück. Er legte sich auf seine Heuschütte und dachte an seine Familie, die er in New Eden zurückgelassen hatte. Vielleicht ist es nun allmählich Zeit, dass ich hier verschwinde, überlegte er und fragte sich gleichzeitig, nach welchen Regeln die Ausreise von Ausländern im Avianerland gehandhabt werden mochte. Und während er da so lag, stellte sich ein Besucher bei ihm ein.
    Diesen Avianer hatte er vorher noch nie zu Gesicht bekommen. Er wies vier kobaltblaue Halsringe auf, und das samtige Körpergefieder war tiefschwarz mit einigen gelegentlichen weißen Büscheln. Die Augen wirkten bestürzend klar und hell und (nach Richards Unterstellung) sehr traurig. Der Avianer wartete, bis Richard sich von seinem Lager erhoben hatte, dann begann er sehr langsam zu reden. Manche Wörter verstand Richard, so vor allem die mehrfache Lautkombination: »Folge mir!«
    Vor seiner Zelle warteten in ehrerbietiger Haltung drei weitere Avianer. Sie schlossen sich Richard und seinem offensichtlich hochbedeutenden Besucher an. Man verließ den Gefängnistrakt, überquerte die einzige Brücke über den weiten senkrechten Zentralschacht und gelangte in das Zylindersegment, in dem die Mannamelonen gelagert wurden.
    An der Rückseite eines der Manna-Speicher waren Einkerbungen in der Wand, die Richard bei seiner Exkursion nicht aufgefallen waren. Als sie nun bis auf wenige Meter näher herankamen, glitt die Wand zur Seite und gab einen gewaltigen Fahrstuhlkorb frei. Der avianische Oberhäuptling bedeutete Richard, er solle in den Fahrstuhl treten.
    Kaum war er in der Kabine, schnatterten die vier Avianer einer nach dem anderen »Adieu«, bildeten einen Kreis und verabschiedeten ihn formell mit einem Kreistanz und einer Verbeugung. Richard strengte sich an, das Abschiedskeckern ebenfalls zu produzieren, dann verneigte er sich gleichfalls zeremoniell und trat rückwärts in den Aufzug. Sekunden danach schloss sich die Wand vor ihm.

    4
    Der Aufzug fuhr mit geradezu schmerzlicher Langsamkeit. Die Kabine maß etwa zwanzig Meter im Quadrat, und die Decke war etwa acht bis zehn Meter über Richards Kopf. Der Boden war glatt, bis auf je zwei parallele Rillenpaare zu beiden Seiten von Richard, die vom Ausgang des Lifts bis zur Rück wand verliefen. Hier drin können die aber wahrhaftig gewaltige Lasten transportieren, dachte er, während er zur Decke hinaufschaute.
    Er versuchte die Fallgeschwindigkeit des Aufzugs abzuschätzen, doch das war nicht möglich, da er über kein Bezugssystem verfügte. Nach dem Plan, den er sich von dem Avianerzylinder angefertigt hatte, sollte der Mannamelonen-Speicher ungefähr elfhundert Meter über der Basis liegen. Wenn wir also bis ganz runter fahren und dabei die normale Durchschnittsgeschwindigkeit eines irdischen Aufzugs zugrunde legen, dann dauert diese Fahrt nur etwa drei Minuten.
    Es wurden die längsten drei Minuten seines Lebens, und er hatte nicht die geringste Ahnung, was ihn erwarten würde, wenn die Türen aufglitten. Vielleicht bin ich dann draußen, dachte er plötzlich. Vielleicht in der Nähe dieser weißen Gebäudestrukturen ... Wollen die mich vielleicht nach Haus abschieben?
    Gerade begann er sich zu fragen, wie sich die Dinge in New Eden inzwischen entwickelt haben mochten, als der Aufzug hielt. Die breiten Türen öffneten sich, und ein paar Momente lang glaubte Richard wirklich, dass ihm das Herz aus der Brust springen müsse. Denn genau vor ihm standen zwei Geschöpfe, die viel, viel bizarrer waren als alles, was er sich bisher hätte ausmalen können, und starrten ihn offensichtlich aus sämtlichen ihrer vielen Augen an.
    Er vermochte sich nicht zu bewegen. Der Anblick war dermaßen unglaublich, dass er in eine körperliche Starre verfiel, während sein Hirn die bizarren Wahrnehmungen seiner Sinnesorgane zu verarbeiten versuchte. Beide Wesen vor ihm hatten jeweils vier Augen im >Kopf , . Zusätzlich zu den zwei milchweißen großen Ovalen zu beiden Seiten einer unsichtbaren Linie, die den Kopf in symmetrische Hälften teilte, wiesen sie auch noch zwei weitere Augenpaare auf, die auf zehn, zwölf Zentimeter hohen Stängeln an der Stirn saßen. Hinter dem großen Kopf war

Weitere Kostenlose Bücher