Die nächste Begegnung
langen Gebilde, die auf massiven Strebebögen ruhten, größer als ganze Kleinstädte auf der Erde, waren allesamt direkt nach >Norden< ausgerichtet.
Mich überkam eine seltsame Wehmut, als unser Vehikel sich wieder in Bewegung setzte. Immerhin, Rama war mir dreizehn Jahre lang Heimat gewesen. Ich habe hier fünf Kinder geboren. Und ich bin reifer geworden, fiel mir dabei ein, und ich werde vielleicht endlich zu der Person heranreifen, die ich immer sein wollte.
Aber es blieb sehr wenig Zeit, der Vergangenheit nachzutrauern. Kaum war die äußere Umwandlung abgeschlossen, schoss unser >Taxi< in wenigen Minuten die Drehachse entlang zum Nordzentralpunkt. Knapp eine Stunde später waren wir alle sicher im Shuttle. Wir hatten Rama verlassen. Ich wusste: Wir würden nie zurückkehren. Und als unser Shuttle die Station verließ, wischte ich mir die Tränen aus den Augen.
Im Nodus
1
Nicole tanzte. Ihr Walzerpartner war Hen ry . Sie waren jung und sehr verliebt. Die schöne Musik erfüllte den riesigen Ballsaal, und an die zwanzig Paare schwebten in ihrem Rhythmus über das Parkett. Nicole sah in ihrer langen weißen Ballrobe bezaubernd aus. Hen ry konnte die Augen nicht von ihr lassen. Er hielt sie sicher an der Taille, doch irgendwie fühlte sie sich vollkommen frei.
Unter den Leuten am Rand der Tanzfläche stand ihr Vater. Er lehnte an einer massiven Säule, die fast zwanzig Fuß zur Kuppeldecke aufstieg. Als Nicole in den Armen ihres P ri nzen vorbeischwebte, lächelte er und winkte ihr zu.
Der Walzer schien ewig zu dauern. Als er schließlich doch zu Ende war, hielt Hen ry sie an den Händen fest und sagte, er müsse sie etwas sehr Wichtiges fragen. Aber gerade in diesem Augenblick legte ihr Vater ihr die Hand auf den Rücken und flüsterte ihr zu: »Nicole, wir müssen gehen. Es ist sehr spät.«
Nicole knickste vor dem Prinzen. Hen ry wollte ihre Hände nicht loslassen. »Morgen«, sagte er. »Wir reden dann morgen darüber ...« Und er hauchte ihr einen Kuss durch die Luft nach, als sie den Ballsaal verließ.
Draußen ging schon fast die Sonne unter. Die Limousine ihres Vaters wartete. Augenblicke später, während sie die Autobahn an der Loire entlang dahinrasten, trug Nicole eine Bluse und Jeans. Nicole war jetzt jünger, vielleicht vierzehn Jahre, und ihr Vater fuhr viel schneller als sonst. »Wir wollen doch nicht zu spät kommen«, sagte er. »Das Festival beginnt um acht.«
Vor ihnen ragte Chateau d'Usse auf. Die vielen Türme und Zinnen des Schlosses hatten einst den französischen Autor zu seiner Urfassung des Märchens >Dornröschen< inspiriert. Das Chateau lag von Beauvois nur einige Kilometer die Loire abwärts, und Nicoles Vater schätzte den Ort ganz besonders.
Es war die Nacht des alljährlichen Volksfestes, und die Geschichte der schlafenden Schönem, der Prinzessin Aurora, wurde vor lebendigen Zuschauern nachgespielt. Pierre des Jardins und Nicole waren in jedem Jahr unter ihnen. Und jedes Mal hatte Nicole sich sehnlichst gewünscht, dass Prinzessin Aurora sich nicht ans Spinnrad setzen und die Garnspindel nicht anfassen möchte, diese tödlichen Instrumente, die sie in hundertjähriges Koma versetzen würden. Und in jedem Jahr heulte sie pubertäre Rührungstränen, wenn der schmucke Prinz die Schöne mit einem Kuss aus ihrem todesähnlichen Schlaf erlöste.
Die Vorstellung war vorbei, das Publikum verschwunden. Nicole kletterte die Rundtreppe zum Turm hinauf, in dem angeblich das echte Dornröschen, die wirkliche >schlafende Schöne<, in ihre Erstarrung versunken war. Aber Nicole raste die Stufen hinauf, sie lachte, sie ließ ihren Vater weit hinter sich zurück.
Auroras Zimmer lag dem hohen Fenster gegenüber. Nicole verschlug es den Atem, als sie die prachtvolle Einrichtung sah. Das Bett hatte einen Himmel, die Schränke und Kommoden — reich geschmückt. Alles in Weiß abgesetzt. Es war bezaubernd. Nicole warf erneut einen Blick auf das schlafende Mädchen, und ihr blieb die Luft weg. Aber das war ja sie selber, sie, Nicole, die da im weißen Kleid auf dem Bett lag!
Ihr Herz hämmerte wie rasend, als sie hörte, wie die Tür aufging und Schritte durch den Raum auf sie zukamen. Ihre Lider blieben geschlossen, während das erste schwache Minzearoma seines Atems ihr in die Nase wehte. Ja, jetzt, das ist es, sagte sie aufgeregt zu sich. Und dann küsste er sie sanft auf die Lippen. Nicole hatte ein Gefühl, als flöge sie auf den aller- weichsten Daunenwolken dahin. Ringsum war
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