Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman

Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman

Titel: Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Morgowski
Vom Netzwerk:
schwören können, dass es der Arm eines Sechzigjährigen war. (Hätte der Junior nicht ein rosa Poloshirt tragen müssen?)
    Was ich aber richtig gesehen hatte, war, dass er gerade im Internet surfte. Und zwar auf einer Pornoseite. Wi-der-lich! Während sich bedürftige Patientinnen wie ich entweder im Wartezimmer stapelten oder genüsslich vom Hai verspeist wurden, guckte der schnöselige Vollidiot (der im Übrigen auf den ersten Blick gar nicht schnöselig aussah, sondern mich auf den zweiten Blick sogar an einen Filmstar erinnerte, auf dessen Namen ich nur irgendwie nicht kam) sich Schweinkram an!
    Von diesem Moment an wollte ich nur noch weg. Doch da stand schon der Hai hinter mir in der Tür.
    «Entschuldige, Paul 

äh, Dr. Rosen, die Patientin ist einfach an mir vorbeigelaufen.» B. Morgenroth zerrte unsanft an meinem Ärmel. «Los, raus hier!»
    Aber selbst wenn ich gewollt hätte, ich konnte mich nicht von der Stelle bewegen. Wie festgetackert stand ich vor dem Schreibtisch und starrte dem Nachwuchsdoktor in seine warmen braunen – ich würde sogar sagen: fast schwarzen – Augen und dachte an 

Nutella. Und an dunkle Nächte. An glühende Kohlen. (Mir ist jetzt auch klar, dass die nicht schwarz sind 

)
    Und Dr. Rosen starrte zurück. Leider sah er dabei nicht so aus, als kämen ihm bei meinem Anblick sündige Nächte in den Sinn. Vielmehr starrte er mich an, als sei
ich
der weiße Hai und er gefangen mit mir in einem Karpfenteich.
    «Also, wenn Sie nun schon einmal hier sind, dann setzen Sie sich doch auch», sagte er freundlich, nachdem wir uns gefühlte zehn Minuten halb hingerissen (ich), halb entgeistert (er) angestarrt hatten. Mit barschen Bewegungen trieb er die Morgentau oder wie die Sprechstundenhilfe nochmal hieß, aus dem Zimmer und bot mir den Platz gegenüber seinem Schreibtisch an.
    Immer noch hypnotisiert von seinen inzwischen funkensprühenden Augen und nach wie vor auf der Suche nach dem Namen des Hollywoodstars, an den er mich erinnerte, ließ ich mich auf den Stuhl fallen. Plötzlich überkam mich Panik. Mit diesem nutellaäugigen, testosteronüberfrachteten Aushilfshausarzt, den ich noch dazu gerade beim Surfen auf Pornoseiten gestört hatte, konnte ich unmöglich über meine Flugangst sprechen. Ausgeschlossen. Gar nichts wollte ich mit dem besprechen.
    «Nun, Frau 

?» Er sah mich fragend an.
    Ich rutschte unruhig auf meinem Platz hin und her. Nur mal angenommen, überlegte ich fieberhaft, es war vielleicht gar keine Pornoseite, die er sich zuvor angesehen hatte, sondern nur irgendein zufällig aufgepopptes Werbebanner? Dann könnte ich unter Umständen vielleicht doch ein Wörtchen mit ihm reden. Immerhin hatte ich ein wichtiges Anliegen. Wobei – kaum hatte ich den Satz zu Ende gedacht, erschien mir mein Problem plötzlich klein und lächerlich. Also nicht, dass ich meine Flugangst als lächerlich empfunden hätte, aber aus diesen Nutella-Augen heraus betrachtet, wirkte sie vielleicht lächerlich. Mit Sicherheit sogar. Spontan wünschte ich mir, ein imposanteres Problem zu haben. Eines, an dem er sich die Zähne ausbeißen würde. Für dessen Lösung er ein dickes Buch oder sogar seinen Vater zu Rate ziehen müsste. Und aus der dadurch entstehenden Situation heraus würde ich dann einfach ganz nebenbei zu Dr. Rosen senior sagen: «Ach, Herr Doktor, wo Sie gerade in diesem Buch stöbern: Steht dort vielleicht auch, was man gegen Flugangst unternehmen kann?»
    Ja, das schien mir ein guter Plan zu sein. Nur leider fiel mir auf Anhieb kein imposantes, recherchebedürftiges Krankheitsbild ein. Genau genommen fielen mir auf Anhieb sogar nur Krankheiten ein, die ich selbst dann nicht mit Dr. Rosen junior besprechen wollte, wenn ich sie hätte. Zum Beispiel:
    Bronchitis mit Auswurf von zähem Schleim, den ich farblich benennen müsste.
Schnupfen mit gelblichem Rotz, den ich in seiner Konsistenz benennen müsste.
Stuhlprobleme, die ich farblich und in ihrer Konsistenz benennen müsste.
    «Wollen Sie mir Ihren Namen nicht verraten, Frau 


    Wenn er nur endlich aufhören würde, mich so anzustarren
, dachte ich.
    «Johannsen. Genau genommen
Fräulein
Johannsen, ich bin nicht verheiratet.» Urgs. Das war natürlich totaler Bullshit! Als hätte er das wissen wollen! Außerdem sagt ja wohl heutzutage keiner mehr Fräulein, jedenfalls nicht wenn die Betreffende älter als zwölf ist.
    «Soso,
Fräulein
Johannsen», sprach er mir nach und sah dabei in höchstem Maße

Weitere Kostenlose Bücher