Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman
es in einer intakten Ehe zu regelmäßigen, unkontrollierten körperlichen Gelüsten kommt, fand er anscheinend auch einleuchtend. Eventuell kam ihm das sogar sehr zupass. Denn solange ich mich sexuell zu meiner Ehefrau hingezogen fühle, muss er sich keine Sorgen darüber machen, dass ich seinen Patientinnen nachstellen könnte. Und darauf kam es ihm ja wohl in erster Linie an, als er diese unmenschliche Bedingung des Verheiratetseins stellte.
«Ach Leoliebling
…
», nuschelt Nella unter der Bettdecke, «hör mit dem Krach auf und lass uns noch etwas kuscheln.» Auffordernd rammt sie mir ihr Hinterteil in die Leistengegend. «Komm schon, drück mich ein bisschen, damit ich weiß, dass alles nur ein böser Traum war.»
Tja, Professor Schümli mag Verständnis für spontane und unkontrollierte, körperliche Gelüste gehabt haben, bei Nella bin ich mir da allerdings nicht so sicher. Denn erstens bin ich nicht ihr
Leoliebling
(weshalb es vermutlich nicht so gut käme, wenn ich ihren Kuschelwunsch erfüllen würde). Und zweitens kann
ich
mich noch sehr genau an den gestrigen Abend erinnern. Das war kein Traum. Das war ein Albtraum! Genau genommen war es der Vorhof zur Hölle, und ich habe es nur meinem beherzten Auftreten zu verdanken, dass der Abend nicht zu einem Fiasko wurde.
Um ein Haar hätte Nella mir nämlich diesen Wettbewerb versaut, noch ehe er richtig begonnen hatte. Und das nur, weil ihr idiotischer Freund sich ausgerechnet den gestrigen Abend ausgesucht hatte, um mal so richtig auf die Kacke zu hauen. Gut, ein solches Verhalten hätte mich an Nellas Stelle vielleicht auch ein bisschen aus der Fassung gebracht, aber muss man wegen so etwas gleich durchdrehen?
Möglicherweise hat dann der Alkohol sein Übriges dazu getan. Eine erste Ahnung, dass meine Teilzeitehefrau nicht besonders viel Hochprozentiges verträgt, beschlich mich zwar bereits beim Essen, aber zu dem Zeitpunkt konnte ich die Situation noch einigermaßen charmant überspielen. Auch wenn es bereits in mir brodelte.
Ich meine, ist es denn zu viel verlangt, sich nach zwei Gläsern Wein und einem – zugegebenermaßen hastig hinuntergekippten – Champagner noch an die drei einzigen Informationen zu erinnern, die man über das Leben seines frisch angetrauten Ehemannes bekommen hat? Wohl kaum. Aber Nella hat es vermasselt. Mit dem Ergebnis, dass ich jetzt bis ans Ende meiner Tage ein Golfmatch mit Schümli fürchten muss. Um dem zu entgehen, sollte ich mir vermutlich beizeiten einen Arm amputieren lassen.
«Leoliebling, was soll denn das. Komm wieder her.» Nella klopft sich unter der Bettdecke auf den Schenkel.
Vielleicht könnte ich ja doch mal den unkontrollierten, körperlichen Gelüsten nachgehen
…
Oh nein, so läuft das nicht. Ich bin ja kein Tier! Ich habe mich sehr wohl unter Kontrolle. Ganz im Gegensatz zu Nella, die sich gestern Abend nicht gerade so präsentiert hat, wie es sich für eine konservative, anständige Arztgattin gehört. Im Gegenteil. Aber zur Wiedergutmachung muss sie nun auch heute noch einmal meine Frau spielen, das dürfte ihr ja wohl einleuchten. Und bei unserem nächsten Auftritt sollte das Ehepaar Rosen vor allem eines sein: pünktlich.
Nicht die kleinste Kleinigkeit darf nachher beim Treffen mit den Schümlis schiefgehen, sonst kann ich den Job in der Schweiz abschreiben.
«Nella! Hallo, aufwachen! Ich bin es, Paul, dein Ehemann.»
Ein genervtes Grunzen erklingt. Vermutlich setzt sie nach dem gestrigen Abend kein allzu großes Vertrauen mehr in die Ehe.
«Leoliebling, ich habe
…
PAUL ?!?» Sie schießt wie eine Rakete in die Höhe, und ihre Nägel krallen sich in die Bettdecke, dass es nur so knirscht. «Was machen Sie
…
äh
…
du denn hier?»
«Ich wollte gerade aufstehen und unter die Dusche gehen. Allerdings liegst du seit zirka fünf Uhr in der Frühe auf meinem Arm.»
«Witzig. Du weißt genau, was ich meine. Was tust du in meinem Bett, noch dazu unter meiner Decke?» Sie sieht mich aus verquollenen Augen fragend an. Kaum zu glauben, dass sich diese Lider überhaupt noch öffnen lassen.
Nachdem nämlich gestern Abend ihr
Leoliebling
mit einer fremden Tussi im Arm ins Hotel spaziert kam und die beiden sich gleich darauf schmusend an der Bar niederließen, war Nella komplett ausgeflippt. Schnappatmung, tätlicher Übergriff und zum Schluss heulendes Elend – das volle Programm. Dabei war die andere Frau nun wirklich keine Aufregung wert. Mir ist jedenfalls nicht klar, warum ihr
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