Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman
Der Senior hat einen Rauhaardackel, einen Mercedes und seiner Frau in den letzten zehn Jahren nur ein einziges Geschenk gemacht: ein Epiliergerät!
Er erfuhr:
Ich wohne in einer 1-Zimmer-Wohnung mit Blick auf das schwul-lesbische Café Gnosa. Da herrscht das ganze Jahr über so buntes Treiben wie im Sommer auf der Alster.
Meine Eltern stammen aus Dänemark und zerbrechen sich seit meiner Geburt den Kopf darüber, von wem ich meine dunkelbraunen Haare geerbt habe.
Ich interessiere mich für Mode und alles, was damit zu tun hat, bin aber keineswegs oberflächlich oder ein meinungsloses Anziehpüppchen. Im Gegenteil. Ich liebe meine Arbeit, liebe es, eigenes Geld zu verdienen, und liebe am meisten, dieses wieder auszugeben.
Ich führe einen exklusiven Secondhandladen mit angrenzendem Café. (Von da an starrte Paul gelangweilt aus dem Fenster, vermutlich weil das schon zu viele Informationen für sein überbeanspruchtes Männerhirn waren. Aber er hatte schließlich nach meinem Leben gefragt, und um diese Frage gewissenhaft zu beantworten, durfte ich keinesfalls Elisa und Mashavna auslassen
…
)
Elisa hat einen Mops namens Melanie, der lauter schnarcht als ihr Freund Tom. (Aber, wie ich jetzt weiß, nicht so laut wie Paul!) Außerdem ist sie schwanger (also Elisa, nicht ihr Hund), wohnt mit ihrem Freund in Eimsbüttel und liebt alles, was mit Schokolade zu tun hat. Sie war mal Graphikerin, aber der Job wurde ihr zu stressig, deshalb ist sie jetzt Teilhaberin bei mir im Laden. Sie ist sehr schlau und hat in Beziehungsfragen immer einen guten Rat parat. Mashavna hingegen ist eher spirituell veranlagt. Sie hat mit Mode nicht viel am Hut, kocht aber gerne und gut. Sie weiß immer, wann welcher Planet in wessen Haus eindringt, und sammelt beim Teetrinken die kleinen Zettel mit den aufgedruckten Weisheiten. Lange Zeit glaubte sie, an einer Hundeallergie zu leiden, dabei war es nur eine Sojaunverträglichkeit.
Mehr konnte ich in der kurzen Zeit nicht erzählen, allerdings fand ich, dass sei schon mal ein guter Überblick über mein Leben. Wie sich allerdings später herausstellte, hätte ich mir das auch schenken können.
Als wir im Four Seasons ankamen, schien Paul ziemlich nervös zu sein. Dabei waren wir nur eine Viertelstunde zu spät. Ich meine – hallo – fünfzehn Minuten! Ich dachte, so etwas gelte heutzutage als vornehm. Und apropos vornehm: Mein lieber Schwan, war das ein Hotel! Alles aus Marmor! Und was nicht aus Marmor war, bestand aus Gold. Und was nicht aus Gold bestand, war himmelblau. Sooo schön! Allein der Blumenstrauß im Eingangsbereich war in etwa so groß wie das WC bei uns im Café. Und dann die Teppiche! Viel zu schade, um draufzutreten. Die hätte man lieber an die Wand hängen sollen. Allerdings wäre das auch schade gewesen, denn der komplette Restaurantbereich war mit Wandbildern verziert. Einfach himmlisch. Also, wenn unser Laden so schön gestaltet wäre, dann kämen vermutlich Touristenbusse, nur um unsere Wände anzustarren und ein Stück Buchweizenkuchen zu essen. Im Geiste machte ich mir eine Notiz, Elisa zu fragen, ob sie malen kann. Immerhin ist sie Graphikerin, die müssen doch so etwas können.
Bei unserem Erscheinen waren die anderen bereits vollzählig. Also, Professor Schümli und seine Frau Sonja sowie die Hartmanns aus dem Parfum-Werbespot. Frau Schümli war total nett. Sie hat sich ehrlich gefreut, uns kennenzulernen, und hatte auch sofort vollstes Verständnis dafür, dass man mit diesen Schuhen nun mal nicht pünktlich sein kann.
«Junge Dame», sagte sie und zwinkerte mir liebevoll zu, «Sie sehen so bezaubernd aus, auf Sie würden wir notfalls den halben Abend warten.»
Paul warf ich daraufhin einen Habe-ich-es-dir-nicht-gleich-gesagt-Blick zu, den er mit einem kaum erkennbaren Augenzucken abtat.
«Wirklich, sehr schön, Ihre Schuhe», meldete sich daraufhin Frau Hartmann zu Wort. Sie trug ein Kleid von Jason Wu, das sich an ihren Model-Körper schmiegte wie ein Seidenkondom. Zugegeben, ich war ein bisschen neidisch. Also, nicht wegen ihrer Figur, sondern wegen dem Kleid. Braun mit weißen Tupfen, ein echter Hingucker. Also, Jason Wu bewundere ich wirklich sehr.
«Ich wusste ja gar nicht, dass diese Absatzform wieder modern ist», fügte sie dann noch hinzu und machte dadurch in einem Satz alle Sympathiewerte zunichte. «Kamen die nicht Anfang der Neunziger auf?»
Grrr. Vorher sah die Hartmann einfach nur unsympathisch aus, nun entpuppte sie sich als wahre
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