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Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman

Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman

Titel: Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Morgowski
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Xanthippe. Ich wollte gerade entgegnen, dass guter Geschmack zeitlos ist und dass die Schuhe keinesfalls antik, sondern nagelneu sind – da entdeckte ich schon wieder dieses Zucken in Pauls Gesicht. Diesmal um den Mund.
    Fand er das etwa lustig? Er, der fünfzehn Minuten zuvor noch nicht einmal wusste, was ein Outfit war, verbündete sich mit dieser Hochglanzmagazin-Werbekuh?
    Zum Glück brachte in diesem Moment ein Kellner die Speisekarten. Und sechs Gläser Sekt. Oder Champagner, keine Ahnung. Auf jeden Fall erinnerte mich der Geschmack an abgestandenes Maggi-Wasser, daher nehme ich an, dass es Champagner war. Nicht so mein Fall. Ich stehe mehr auf ganz normalen Sekt.
    Wir stießen mit der Maggi-Brühe an, gaben gleich darauf unsere Bestellung auf und steuerten dann schnurstracks die erste brenzlige Situation an.
    «Erzählen Sie doch mal, Frau Rosen», forderte mich Frau Schümli auf, «gehen Sie auch einer Beschäftigung nach? Oder kümmern Sie sich ausschließlich um den Haushalt?»
    Nun ja 

das war ja leider nicht abgesprochen. Was sollte ich also sagen? Ich beschloss, dicht an der Wahrheit zu bleiben. «Nein, nein», antwortete ich, froh, einen abwechslungsreichen Beruf zu haben, über den sich viel erzählen lässt, «ich arbeite in einem Second-»
    Unvermittelt traf mich ein Fuß unter der Tischplatte.
    «Ich 

äh 

», setzte ich verunsichert noch einmal an, ohne die leiseste Ahnung zu haben, wie der Satz weitergehen sollte.
    Zum Glück fiel Paul mir ins Wort: «Meine Frau kümmert sich hauptsächlich um wohltätige Vereine. Außerdem organisiert sie den Kirchenbasar, backt für den Altenkreis Kuchen und hilft Kindern, deren Eltern arbeiten müssen, bei den Hausaufgaben.»
    Ich war wie vom Donner gerührt. Sprach er von mir? Ich backe Kuchen? Du meine Güte! Ich hoffte inständig, dass keiner mit mir Rezepte austauschen wollte.
    «Wie nett», befand Frau Schümli und nickte anerkennend. «Dann werden Sie sich mit Frau Hartmann ja bestens verstehen. Wenn ich das vorhin richtig verstanden habe, Frau Hartmann, gehen Sie doch einer ähnlichen Tätigkeit nach, nicht wahr? Dann haben Sie beide sicher viel auszutauschen.»
    Bitte keine kulinarischen Kniffe, dachte ich und blickte beunruhigt zu Paul hinüber. Doch was ich dort sah, gefiel mir gar nicht. Für meinen Geschmack hing er nämlich etwas zu interessiert an den Lippen der Model-Kuh.
    Auf Frau Schümlis Frage hin drapierte sich die Hartmann auf ihrem Stuhl, als stünden die führenden Fernsehsender dieser Welt zum Interview um unseren Tisch herum. Mit zwitschernder Stimme erklärte sie ihrem Publikum (also vor allem Paul): «Na ja, ein bisschen ähneln sich unsere Aufgaben natürlich schon. Allerdings 

» Sie lächelte mich an, als sei ich eines der minderbemittelten Kinder, denen man bei den Hausaufgaben helfen muss. «

mache ich das Ganze auf Landesebene.» Mit schlechtgespielter Bescheidenheit senkte sie ihren Kopf und lächelte den leeren Teller vor sich an. «Ich reise mit der Gattin des Bundespräsidenten und kümmere mich um Kinder in Heimen oder fahre in Krisengebiete. Kuchen backen», wieder hob sie den Blick, «gehört, ehrlich gesagt, nicht in meinen Aufgabenbereich.»
    Ich hätte Paul-Hochstapler-Rosen den Hals umdrehen können. Nicht nur weil er diese Angelina Jolie unter den Arztgattinnen die ganze Zeit mit unverhohlener Begierde anstarrte, sondern vor allem weil er für mich so eine Scheißtätigkeit ausgewählt hatte. Kuchen backen für die Alten! Pah! Also, gegen alte Leute habe ich nun wirklich nichts, aber Kuchen backen? Wie konnte er mich nur in eine Situation manövrieren, in der ich ohne eigenes Verschulden belächelt wurde?
    Von da an fiel es mir schwer, mich auf die Unterhaltung zu konzentrieren. Ich fühlte mich schlecht und unzulänglich, obwohl es mir im Grunde genommen hätte egal sein können, was die neugekrönte Königin der Herzen – neben ihrem brillanten Aussehen – noch so alles zu bieten hatte.
    Als ich gerade überlegte, wie es wohl wäre, Paul und seine Lügengeschichte auffliegen zu lassen, kam unser Essen. Vorsichtshalber hatte ich mir das Günstigste bestellt: ein Zitronenrisotto für 55 Schweizer Franken. Das sind zwar immer noch etwas mehr als 40 Euro nur für ein paar Reiskörner – unfassbar! –, aber falls Paul beim Anblick der Rechnung eine Ohnmacht simulieren würde, was ihm durchaus zuzutrauen war, könnte ich zumindest meinen Teil der Zeche selbst bezahlen. Wenn auch

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