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Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman

Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman

Titel: Die Nächste, bitte • Ein Arzt-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Morgowski
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Nicht dass er jetzt unbedingt Wind davon bekommen musste, dass ich mich hier um eine Stelle bewarb. Aber wer weiß, ob die beiden Herren sich nicht ab und zu austauschen.
    Genervt versuchte ich, mich nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. «Und woher kennen Sie ihn?» Falls Schümli mir jetzt erzählen würde, sie seien zweieiige Zwillinge und er wäre nach der Geburt zur Adoption freigegeben worden, könnte ich die Spritze vermutlich gleich in meiner Patientin stecken lassen. Ich würde den Job dann ohnehin nicht bekommen.
    «Accch», Schümli winkte erneut ab, «das war nur so eine verschüttet geglaubte Erinnerung. Niccchts von Bedeutung.»
    NICHTS VON BEDEUTUNG ? Erst jagte er mir den Schreck meines Lebens ein, brachte mich dazu, meiner Patientin ein Veilchen zu verpassen, und dann kam er mir mit
Nichts von Bedeutung
? Der Mann war wirklich unberechenbar.
    Eine Weile arbeitete ich stumm weiter, bis ich irgendwann entschied: «Das genügt.»
    Wie von der Tarantel gestochen schoss Schümli in die Höhe und kam zu uns gelaufen. Er begutachtete mein Werk und verglich Lippen und Wangen mit den Fotos, die neben mir auf dem Schubladenschrank lagen. Dann wackelte er vielsagend mit dem Kopf. «Also, wenn man von dem Bluterguss mal absieht 

»
    Ich hielt die Luft an. Frau Steiners Augen wurden groß.
    «

ist es sehr schön geworden. Geradezu perfekt, finden Sie nicht auccch?» Schümli hielt der Patientin einen Spiegel hin. «Ein wirkliccch homogener Aufbau. Kompliment, Dr. Rosen.»
    Frau Steiner nickte. Dann sah sie auf die Uhr. «Allerdings haben Sie fünf Minuten überzogen. Jetzt muss ich mich beeilen, um rechtzeitig zur Massage zu kommen.»
    Stillschweigend wünschte ich ihr die Pest an den Hals, während ich die Spritzen verschloss und sie anschließend ordnungsgemäß entsorgte. Was bildete sich diese verwöhnte Kuh nur ein? Wusste sie nicht, dass sie auf uns angewiesen war? In spätestens einem Dreivierteljahr würde aus ihrem Blanchett-Makatsch-Mischgesicht wieder dass alte Steiner-Gesicht werden. Dann bräuchte sie ein Refill. Aber ich sagte nichts.
    Stattdessen ergriff Professor Schümli noch einmal das Wort: «Sie kennen das ja, Frau Steiner. Drei Tage werden Sie wohl das Märccchen vom Wespensticcch erzählen müssen. Denn bei dem diccchten Adernetz, das Sie unter der Haut haben, kann man auccch mit der stumpfen Nadel schon mal ein Gefäß erwischen.»
    Während ich noch dachte, dass sich das irgendwie anhörte, als hätte Schümli von Anfang an gewusst, dass die Steiner ein schwieriger Fall war, zog sie eine XXL -Sonnenbrille aus der Tasche. Ein Vollprofi! Bevor sie sich das Teil auf die Nase stülpte, warf sie mir noch einen abschätzenden Blick zu. Dann verschwand ihr komplettes Gesicht hinter den Gläsern, und sie erklärte: «Wie Sie sehen, habe ich mit dem Schlimmsten gerechnet und Vorsorge getroffen.»
    Ich steckte die Hände in die Hosentaschen und ballte die Fäuste. Zum Glück sind nicht alle Patienten so arrogant ausgestattet. Die meisten zeigten sich hinterher zufrieden und dankbar.
    Frau Steiner stand auf, hob zum Abschied ihr schlaffes Händchen und winkte kurz. Dann verschwand sie, begleitet von Professor Schümli, zur Tür hinaus.
     
    «Sie sind ja ganz in Gedanken vertieft, Dr. Rosen», durchbricht Hartmann unser Schweigen, als wir vor seinem Hotel halten. «Lief wohl nicht so gut bei Ihnen heute, was?» Sein überhebliches Grinsen bedeutet wohl, dass er keinen Vater hat, dessen Erwähnung ihn beim Eingriff erzittern ließ. Aber natürlich muss er das auch noch auf den Punkt bringen: «Also, bei mir lief es super.»
    Falls alle, die im
Beau-Rivage
je ums Leben kamen, ebenso dummdreist waren wie dieser Kerl, überlege ich, dann sympathisiere ich neuerdings mit Mördern.
    «Sie täuschen sich, Herr Kollege. Auch bei mir lief es prima.» Im Geiste injiziere ich ihm eine Ladung Botox ins Sprachzentrum, damit er jetzt die Klappe hält.
    Als er endlich aussteigt, mache ich drei Kreuze. Denn schon wieder drängt die Zeit. In knapp eineinhalb Stunden sind wir bereits mit den Schümlis zum Abendessen verabredet. O-Ton Schümli: in einem urigen Lokal. Bleibt nur zu hoffen, dass Nella diesmal die Netzstrumpfhose weglässt. Und nicht wieder durchdreht.
    Wenig später bremst Raoul vor meinem Hotel. Lächelnd dreht er sich zu mir um. «Ich werde Sie und Ihre Frau hier um zehn vor acht abholen», erklärt er freundlich. «Dann bringe ich Sie gemeinsam mit Familie Hartmann zum Restaurant. Von

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