Die naechste Frau
nachzusehen. War sie nicht sogar zur Hilfeleistung verpflichtet?
Die Gestalt saß in der Hocke, hustete und übergab sich gerade in den Straßengraben.
Alex trat näher. „Kann ich Ihnen helfen?“
Sie war froh, eine Taschenlampe im Auto deponiert zu haben. Als der Lichtkegel auf die Person traf, erschrak sie.
Es war eine Frau, mit blonden, kurzen Haaren.
Jackie.
Mein Gott!
Alex betrachtete sie und versuchte das Ausmaß ihrer Verletzungen zu erfassen. Blut rann von Jackies Stirn, die Lippe hatte sie sich aufgeschlagen, die Knöchel ihrer Hände waren ebenfalls blutig.
„Jackie, was ist passiert?“ Alex bückte sich zu ihr hinab.
Ihre Mitarbeiterin reagierte kaum, wehrte ihre angebotene Hand ab.
Alex warf einen Blick auf Jackies Motorrad. Es sah so aus, als sei sie lediglich weggerutscht, sie konnte keine Fremdeinwirkung erkennen. Jackies Alkoholgeruch schien ihre Theorie zu bestätigen.
Wenigstens wurde sie von niemandem über den Haufen gefahren, beruhigte sie sich selbst.
„Wie viel haben Sie getrunken, Jackie?“
„Leck mich.“
Wenigstens konnte Jackie noch sprechen, aber sie war offensichtlich total betrunken. Und so setzte sich diese Frau auf ihr Motorrad?
Ein Glück, dass ihr nicht mehr passiert war.
Nur, was sollte Alex jetzt mir ihr machen?
Würde sie Jackie ins Krankenhaus fahren, wäre ihr Führerschein weg. Diese Fahrt in volltrunkenem Zustand würde auf jeden Fall bekannt werden. Könnte Alex das verantworten? Jackie schien auch so genügend Probleme zu haben. Alex bemühte sich, möglichst objektiv die Fakten zu ordnen.
Sie überließ Jackie für einen kurzen Augenblick sich selbst und begutachtete ihr Zweirad genauer. Der Tank wies deutliche Kratzspuren auf, der Blinker und der Kupplungshebel waren abgebrochen. Sie schaffte es, die Maschine aufzurichten, legte den Leerlauf ein, schob sie ein Stück weiter und stellte sie an der Einmündung eines Forstweges ab. Das Lenkradschloss ließ sie einrasten.
So würde das Motorrad niemandem auffallen. Morgen früh könnte sie immer noch ihrer Werkstatt anrufen, um es abholen zu lassen, falls Jackie bis dahin noch nicht fit genug sein sollte.
Sie ging wieder zurück zu ihrer Mitarbeiterin, die immer noch am Boden kauerte. „Kommen Sie mit, Jackie, Sie frieren. Und ein paar Erste-Hilfe-Maßnahmen würden Ihnen auch nicht schaden.“
Jackies blutverschmiertes Gesicht wandte sich ihr zu. Plötzlich tat sie Alex richtig leid. Auch wenn sie mit dieser Frau ihre Probleme hatte, aber das hier hatte sie nicht verdient. Sie bückte sich zu Jackie hinunter und berührte ihre kurzen Haare. „Na, komm schon!“
Was auch immer der Grund war, warum Jackie sich so übergriffig ihr gegenüber verhalten hatte – es stand Alex nicht zu, sie dafür zu verurteilen.
„Wohin?“ fragte Jackie.
„Zu mir“, sagte Alex entschlossen.
„Zu dir?“ Jackie sah sie mit großen Augen an. „Wer bist du?“
„Jackie, wir kennen uns. Wir arbeiten zusammen.“ Alex legte Jackies Arm um ihre Schulter, umfasste ihre Taille. Sie schaffte es mit ihr ohne weiteres bis zu ihrem Wagen. Dort half sie Jackie vorsichtig auf den Beifahrersitz und schnallte sie an. „Sei so gut und kotz mir nicht ins Auto.“
Aber selbst wenn sie es täte, es war ihr im Grunde egal. Etwas an Jackie rührte sie heute.
Jackie lehnte ihren Kopf ans Fenster. Sie atmete hörbar aus. Ganz sicher war ihr speiübel. Trotzdem sagte sie: „Ich versuch’s.“
Sie erschien Alex plötzlich so verletzlich und schwach. Es irritierte sie. Alex bemerkte, dass ihre Einstellung zu Jackie sich schlagartig verändert hatte. Erwachte da auf einmal ein Beschützerinstinkt in ihr? Ausgerechnet bei einer Frau, die sie bisher immer auf Distanz halten musste?
Sie startete den Motor und fuhr los. Auf einmal hatte sie es eilig, mit ihr nach Hause zu kommen, hoffentlich war Jackie nicht schwerer verletzt, als sie auf den ersten Blick angenommen hatte. Ihr wurde bang zu Mute. War es die richtige Entscheidung, sie nicht in ein Krankenhaus zu fahren?
„Wie heißt du?“, fragte Jackie. Ihre Sprache war verwaschen.
„Alex.“
„Kenn ich nicht“, stellte Jackie resigniert fest.
Alex lächelte. Kein Wunder. Sie kannte sie ja auch als Frau Breitenbach. Sie war mit keinem ihrer Mitarbeiter perdu.
„Ich bin eine Freundin von Jasmin“, sagte sie, um Jackie zu beruhigen.
„Seid ihr zusammen? Jasmin und du?“ Jackie fuhr sich mit der verletzen Hand über das Gesicht und verschmierte das Blut noch
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