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Die Nächte der Aphrodite

Die Nächte der Aphrodite

Titel: Die Nächte der Aphrodite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daria Charon
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erachtete.
    Elaine seufzte unhörbar. Was hätte sie dafür gegeben, einmal selbst den König zu sehen und das berühmte Schloss betreten zu dürfen. Sie verstand nicht, wie Béatrice das alles so nebensächlich abtun konnte.
    Zwei Pfeiler mit einem schmiedeeisernen Torbogen führten zur Menagerie. Auf den ersten Blick fiel eine riesige Voliere auf, die an ein ockerfarbenes Gebäude mit grünem Dach angebaut war. Unzählige kleine, bunte Vögel saßen auf Ästen oder flogen durch das Gehege. Die Luft war erfüllt vom Zwitschern und Pfeifen. Davor hatte man einen Teich angelegt, in dessen Mitte sich eine Insel befand, auf der sich Enten, Gänse und Schwäne sonnten. Eine Bank im Schatten zweier Platanen lud zum Verweilen ein, doch Béatrice schlenderte weiter und blieb erst vor einem turmartigen Zwinger stehen, der rund um einen freistehenden Baum errichtet worden war.
    Elaine kniff die Augen zusammen und hielt dann den Atem an. In den unteren Zweigen entdeckte sie eine Kreatur, die - nach allem, was sie wusste - ein Kobold sein musste, obwohl sie immer gedacht hatte, dass solche Wesen nur in Märchen und Legenden existierten. Die kleinen Augen sahen sie interessiert an, dann fletschte das Wesen die spitzen Zähne und sprang mit einem grellen Schrei auf sie zu. Unwillkürlich wich Elaine zurück, doch die Kreatur hielt sich mit allen vieren an den Gitterstäben fest und streckte ihr eine kleine, dunkelhäutige Hand entgegen.
    Fragend blickte sie zu Béatrice, die lachte und den Deckel von einer bereitstehenden Kiste hob. »Das sind Meerkatzen, und sie wissen, dass sie von all ihren Bewunderern Leckereien bekommen.«
    Sie reichte Elaine ein paar Nüsse, die sie aus der Kiste genommen hatte und legte selbst eine davon in die fordernd ausgestreckte kleine Hand. Das Tier knackte geschickt die Schale und verschlang den Kern, um gleich wieder die Hand auszustrecken.
    Zögernd gab ihm Elaine eine von ihren Nüssen und berührte dabei kurz die lederartige Haut. »Sie sehen aber gar nicht aus wie Katzen«, sagte sie mehr zu sich selbst.
    »Sie sind auch keine Katzen, es sind Affen.« Béatrice hatte kaum zu Ende gesprochen, als mit schrillem Gekreische weitere fünf Äffchen aus dem Nichts ans Gitter krachten und ihnen die Hände entgegenstreckten.
    Elaine legte ihre Furcht ab und verteilte weitere Nüsse, während Béatrice ihre in die Mitte des Geheges auf den Boden warf. Das hatte zur Folge, dass die sechs Tiere vom Gitter sprangen und mit heftigem Gezeter begannen, um die Nüsse zu streiten.
    Die beiden Frauen sahen ihnen eine Weile zu, dann gingen sie weiter. Elaine blickte sich neugierig um. Zwischen den Bäumen erspähte sie in einiger Entfernung die Umrisse eines Gebäudes. Zuerst dachte sie an ein Gartenhäuschen, aber als sie näher kam, bemerkte sie die dicken, schwarz gestrichenen Eisenstangen eines Zwingers, die auf einem gemauerten Fries ruhten.
    Scharfer Geruch stieg ihr in die Nase.
    »Und jetzt kommen wir zu Sahib, Henris neuestem Prunkstück. Ein bengalischer Tiger«, kommentierte Béatrice und verlangsamte den Schritt. Gleichzeitig legte sie den Finger auf die Lippen.
    Der Weg endete vor einem Rondeau, in dem sich das Gehege des Tigers befand. Es war eine gigantische kuppelförmige Konstruktion aus armdicken Eisenstäben, in denen sich auf zwei Etagen Felsbrocken und Baumstämme befanden. Elaine wollte ganz nahe an das Gitter treten, um zu sehen, wo sich das Tier befand, aber Béatrice hielt sie am Arm fest. »Nicht zu nahe, wenn er mit der Pranke durch die Stäbe fährt, kann er dich verletzen.«
    Elaine nickte und versuchte ihn zu entdecken. Sie ging am Zwinger entlang, und dann sah sie ihn. Er lag ausgestreckt unter einem dicken Ast. Fasziniert blieb Elaine stehen und betrachtete den Tiger. Er sah aus wie eine riesige Katze. Obwohl sie keinen Laut von sich gegeben hatte, hob er den mächtigen Kopf. Bernsteinfarbene Augen sahen sie an, dann gähnte er und zeigte ein Furcht erregendes Gebiss mit langen, spitzen Zähnen.
    »Prachtvoll, findet Ihr nicht? Wartet nur, wenn Ihr ihn einmal in Bewegung seht oder wenn ihm sein Pfleger eine Ziege bringt.« Bewunderung schwang in der Stimme von Béatrice. Sahib wandte träge den Kopf in ihre Richtung, dann legte er sich wieder hin.
    Sein Fell war am Bauch weiß und am restlichen Körper goldfarben, durchzogen von schwarzen Streifen. Die schwarze Schwanzspitze zuckte leicht.
    »Henri hat ihm wie allen anderen Tieren, die aus heißen Ländern kommen, ein beheizbares

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