Die Nächte der Aphrodite
Worte, doch ihr Mund schien so ausgetrocknet wie ihr Kopf.
»Ihr braucht nichts zu antworten. Denkt nicht zu viel darüber nach, meine Art Glück ist eine andere als Eure. Lasst Euch davon nicht beirren. Wollt Ihr sehen, was ich mir für heute Abend überlegt habe?«, fügte sie ablenkend hinzu.
Elaine nickte erleichtert. »Gerne.«
»Gut, ich muss ohnehin noch den Aushang anbringen, er liegt in meinem Zimmer.« Sie stand auf. »Es wird eine sehr freie Interpretation der Begegnung von Odysseus mit den Sirenen. Ich habe dafür alles im Theater des Palastes arrangiert.«
»Es gibt hier sogar ein Theater?«, fragte Elaine beeindruckt und folgte ihr zur Tür.
»Ja, es ist zwar nicht besonders groß, aber für meine - unsere - Zwecke reicht es allemal.«
Gemeinsam schlenderten sie durch die langen Gänge. Das Zimmer von Béatrice unterschied sich nicht wesentlich von ihrem eigenen. Auf dem Sekretär lag ein großes, beschriebenes Blatt Papier. Béatrice nahm es und hielt es Elaine entgegen. »Diese Vorschau fertige ich für jede Nacht der Aphrodite an und hänge sie am dafür bestimmten Platz aus. Die Gäste erlangen auf diese Weise Kenntnis vom Programm des Abends.«
Elaine überflog die Zeilen, und wieder einmal wurde sie unsanft an Troy erinnert, dem sie es zu verdanken hatte, dass sie überhaupt lesen konnte, was auf dem Papier stand.
Heute Abend werden drei Sirenen den siegreichen Seefahrer Odysseus verführen. Wer sich an diesem Schauspiel ergötzen möchte, findet sich nach dem Diner um 23 Uhr im Theater von Belletoile ein. Alle Zuschauer sind frei in der Wahl ihrer Gewänder.
Elaine ließ das Blatt sinken. »Und wo hängt Ihr dieses Papier aus?«
»Bei der Treppe ist ein Platz dafür vorgesehen. Ich zeige ihn Euch, wenn wir zu Henri gehen und ihm unsere Entscheidung mitteilen. Ich nehme an, Ihr habt Euch bereits ein Bild gemacht und wisst, was Ihr tun werdet.« Sie blickte Elaine abwartend an.
»Ja, das habe ich. Ich möchte versuchen, Euch als Zeremonienmeisterin nachzufolgen.« Auch wenn es nicht einfach werden würde, auch wenn die Möglichkeit bestand, dass sie damit scheiterte - versuchen wollte sie es auf jeden Fall.
»Gut. Henri wird Euren Entschluss sicherlich begrüßen. Und ich kann leichten Herzens abreisen.« Sie lächelte Elaine aufmunternd zu. »Kommt, er wartet bestimmt schon.«
Am Ende des Ganges, ein paar Schritte von der Treppe entfernt, befand sich ein schmales Tischchen, auf dem ein Korb mit weißen Seidentüchern stand, von dem sich all jene Gäste bedienen konnten, die nicht aktiv am Geschehen teilnehmen wollten. Darüber hing ein leerer, mit Blattgold verzierter Bilderrahmen. Béatrice befestigte ihr Schreiben darin und trat dann einen Schritt zurück, um ihr Werk zu begutachten.
Elaine runzelte die Brauen. »Ist das nicht zu offensichtlich? Schließlich kann hier wirklich jeder erfahren, was am Abend geschehen wird. Gibt es nicht Menschen, die sich daran stoßen?«
»Die Gästezimmer befinden sich auf dieser Etage. Jeder muss hier vorbei und kann sich über den geplanten Verlauf des Abends kundig machen. Darum wurde dieser Platz auch gewählt«, fügte Béatrice hinzu. »Und wer sollte sich daran stoßen? Für die Gäste des Herzogs sind die Nächte der Aphrodite eine gern gesehene Attraktion, wenn nicht sogar der Hauptgrund für ihren Aufenthalt auf Belletoile. Und die Dienstboten ... nun, die können nicht lesen. Obwohl ich bezweifle, dass sie sich dadurch brüskiert fühlen würden. Sie leben im Palast und haben bestimmt genug Gelegenheit, sich miteinander zu vergnügen. Henri ist als großzügiger Arbeitgeber bekannt.«
Elaine verschränkte die Arme vor der Brust und nickte. Alles funktionierte hier wie ein gutgeschmiertes Uhrwerk. Sie hoffte nur, dass dieses Uhrwerk auch weiterlaufen würde, wenn sie die Rolle der Zeremonienmeisterin übernahm.
16
Wie Béatrice vorausgesehen hatte, reagierte der Herzog erfreut auf die Mitteilung, dass Elaine die Leitung und Organisation der Nächte der Aphrodite übernehmen wollte. Sie besprachen noch die Einzelheiten und trennten sich schließlich in bestem Einvernehmen.
Béatrice wollte einen letzten Blick auf die Vorbereitungen im Theater werfen, und Elaine nutzte die Gelegenheit, sie zu begleiten. Das Theater lag im Westflügel an der Gartenfront und bot Sitzgelegenheiten für fünfzig bis sechzig Personen. Die hohe, gewölbte Decke des Raumes wurde von mehreren dunkelroten Marmorsäulen im griechischen Stil getragen. Von der
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