Die Nächte der Aphrodite
Decke hing ein gigantischer Kristallleuchter. Das Fresko stellte den Flug des Ikarus dar. Auch die zierlichen Sessel passten sich den vorherrschenden Rot- und Goldtönen an.
Der schwere Samtvorhang war zu beiden Seiten der Bühne zusammengerafft worden und gab den Blick auf eine lieblich gemalte Blumenwiese frei, die den gesamten Hintergrund einnahm. Auf dem Boden davor lagen Teppiche und bunte Seidenkissen. Eingerahmt wurde das Bild von Orangenbäumchen und Rosenstöcken in Terrakottatöpfen.
»Sehr schön.« Béatrice sah sich um. »Heute Abend werden die Kissen mit Rosenblättern bestreut. Außerdem gibt es im Zuschauerraum ein Buffet mit Konfekt und Erfrischungen. Gaultier hat mir versprochen, auch Sorbet bereitzustellen.«
»Gaultier?«, wiederholte Elaine fragend.
»Der Chef de Cuisine. Er ist ein Juwel, unbezahlbar. Viele meiner Tableaus wären ohne seine Hilfe nicht durchführbar gewesen.« Sie verließ den Saal und stieg die Treppe zur Bühne hinauf. Da sie auch hier alles zu ihrer Zufriedenheit vorfand, kehrte sie nach wenigen Augenblicken wieder zu Elaine zurück. »Gut. Ich werde im Garten Fackeln aufstellen lassen, die Nacht verspricht mild zu werden. Und was gibt es Schöneres als sich unter dem Sternenhimmel zu lieben.« Sie zwinkerte Elaine zu, die der Einfachheit halber nickte. Bei den wenigen Malen, an denen sie sich mit Armand im Wald geliebt hatte, war von einem Sternenhimmel nichts zu sehen gewesen. Im Foyer öffnete Béatrice die Glastüren, die in den Garten führten. »Dort drüben ist das Labyrinth. Auf dem Weg dorthin gibt es einige lauschige Plätzchen, die bestimmt genutzt werden, wenn die Sirenen mit Odysseus eine mitreißende Vorstellung bieten.«
Sie schlenderten einen Kiesweg entlang. »Alles hier ist so ... so riesig und dabei mit so vielen liebevollen Details versehen. Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass es so etwas Wunderschönes gibt. Versailles kann doch gar nicht prächtiger sein«, fügte Elaine hinzu.
Béatrice lachte. »Dem König dürfen Eure Worte nicht zu Ohren kommen, aber tatsächlich halten viele Gäste Belletoile für das schönere Versailles und Henri für den besseren Herrscher.«
Elaine erinnerte sich an die Bemerkungen des Herzogs, die er über seine Feinde gemacht hatte und die durch diese Worte bestätigt wurden. Sie konnte es nicht nachvollziehen. Sogar in der kurzen Zeit, die sie hier verbrachte, erschien ihr Belletoile als eine friedliche Enklave. Wer sollte schon Interesse haben, das zu ändern oder dem Mann, dem das alles gehörte, Schaden zuzufügen?
»Hier kann man stundenlang herumspazieren, das war eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, wenn ich einmal nichts zu tun hatte. Es ist ein wirkliches Paradies.«
»Wie oft finden die Nächte der Aphrodite eigentlich statt?« Elaine war überrascht, dass ihr diese Frage erst jetzt einfiel.
»Wenn es nach den Gästen ginge, jeden Abend. In der Regel belassen wir es bei zwei- bis dreimal die Woche, nur meine baldige Abreise ist der Grund, jede Nacht eine Orgie zu feiern.«
»Und was passiert an den anderen Abenden?«
»Die gängigen Unterhaltungen. Konzerte, Tanz, Gesangsdarbietungen, Kartenspiel, wie man sie in diesen Kreisen gewöhnt ist. Wart Ihr schon in der Menagerie?«, fügte sie zusammenhanglos hinzu.
»Nein, ich habe nur davon gehört.« Elaine versuchte sich zu erinnern, welches Tier der Herzog so stolz beschrieben hatte, aber der Name wollte ihr nicht einfallen.
»Sie ist nicht so groß wie die in Versailles. Und es gibt auch keinen Elefanten. Allerdings hat Henri kürzlich einen bengalischen Tiger erstanden. Den müsst Ihr unbedingt sehen.«
»Wart Ihr schon in Versailles?« Sie wusste nicht, was ein Elefant war, und auch unter einem Tiger konnte sie sich nichts vorstellen, aber der Gedanke, endlich etwas über diesen sagenhaften Ort zu erfahren, ließ ihr Herz schneller schlagen.
»Ja. Ich habe in Madame Dessantes Etablissement unweit des Schlosses gearbeitet. Dort habe ich auch Henri getroffen, der das Haus mit seiner Entourage besuchte.«
Das war es nicht, was Elaine interessierte. »Wie ist Versailles? Wart Ihr im Schloss? Habt Ihr den König gesehen?«
»Von fern«, erwiderte Béatrice. »Er hat mich nicht fasziniert. Er ist ein Mann, der nur durch seine unvergleichliche Stellung beeindruckt. Auch ich gehöre zu jenen, die Belletoile als schöner, vor allem aber lebendiger empfinden als Versailles.« Der endgültige Tonfall stellte klar, dass sie das Thema für beendet
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