Die Nächte der Aphrodite
nicht nachvollziehen.«
Béatrice drehte den Griff des Sonnenschirmchens, mit dem sie ihr Gesicht beschattete. »Ach, das ist einfach. Dafür gibt es keine bestimmten Gründe, das entscheide ich ganz nach Lust und Laune.«
Als Elaine sie ungläubig ansah, fügte sie hinzu: »Die Zeremonienmeisterin darf alles, habt Ihr das schon vergessen? Sie braucht keine Rechtfertigungen, sie trifft die Entscheidungen, und niemand zweifelt sie an. Das ist die Macht, die diese Position mit sich bringt.«
Die Macht, die sie faszinierte, wie sich Elaine ins Gedächtnis rief. Entscheidungen zu treffen, einfach weil sie es so und nicht anders haben wollte. Keine Rechtfertigungen und keine Entschuldigungen. Der einfache Grund für alle Entscheidungen war ihr Wunsch und Wille. Ihre daniederliegende Zuversicht erwachte aufs Neue.
»Ihr denkt zu viel nach«, sagte Béatrice. »Lasst die Dinge einfach auf Euch zukommen. Ihr werdet sehen, vieles löst sich aus der Situation heraus auf. Wenn ich gestern jeden in die Nebenräume gelassen hätte, wäre der Reiz nur kurz und flüchtig gewesen. Verbotenes hat immer eine große Anziehung, ganz egal, wie simpel und gewöhnlich die Angelegenheiten sind, die sich dahinter verbergen.«
Die karge Ausstattung der Räume erschien vor Elaines innerem Auge, und sie begriff, dass Béatrice recht hatte. Es galt Magie um das Alltägliche zu weben, um es zu etwas Besonderem zu machen. »Ich verstehe.«
»Gut. Vieles wird Euch die Zeit lehren, vieles Euer Gefühl. Vertraut einfach darauf.«
Gemeinsam schlenderten sie weiter durch den Park, Béatrice führte Elaine schließlich zum höchsten Punkt von Belletoile, der von einem Pavillon im griechischen Stil gekrönt wurde. »Wenn Ihr in der Küche Bescheid gebt, serviert man Euch hier jederzeit ein Picknick. Der Platz ist für zufällige Rendezvous wie geschaffen.«
Elaine genoss den Ausblick über die Welt, die ihr zu Füßen lag. »Werdet Ihr das alles nicht vermissen?«, fragte sie Béatrice, die neben sie getreten war.
»Ein Abschnitt meines Lebens, der zu Ende geht. Dafür beginnt ein neuer. So habe ich es immer betrachtet. Ich vermeide es, mich an Menschen oder Dinge zu hängen. Deshalb schaue ich auch in die Zukunft und nicht in die Vergangenheit. Und meine Zukunft liegt in Burgund an der Seite von Hector de Sevelles.« Sie blickte in die Ferne, als ob sie diese Zukunft bildlich erkennen könnte. »Das alles hier wird nichts weiter als eine flüchtige Erinnerung sein.«
Es fiel Elaine schwer, das zu verstehen. Vor allem, da bei der Erwähnung des Marquis violette Striemen auf weißer Haut vor ihrem inneren Auge auftauchten. Aber sie wollte den Punkt nicht vertiefen, um Streit zu vermeiden. »Habt Ihr für heute Abend etwas Besonderes geplant?«
»Heute Abend gibt es ein Kammerkonzert, meine letzte Nacht als Zeremonienmeisterin der Aphrodite ist morgen. Da ich so viele begeisterte Reaktionen bekommen habe, werde ich zu meinem Abschied noch einmal ein lebendes Dessert servieren. Und die nächste Nacht gehört dann Euch, Elaine.«
Der Gedanke, dass Béatrice in drei Tagen abreisen wollte und sie selbst in sechs Tagen eine Nacht der Aphrodite inszenieren sollte, verursachte ihr mehr als nur leichte Kopfschmerzen. »Und wenn ich es nicht schaffe?«, fragte sie leise.
»Ihr werdet es schaffen, keine Sorge. Sobald Ihr das Gewand der Zeremonienmeisterin übergestreift habt, seid Ihr jemand anders. Ihr habt mir oft genug zugesehen, um Euch in die Rolle einzufinden. Später werdet Ihr sie nach Eurem Gutdünken prägen.« Sie wandte sich zu Elaine und fixierte sie mit einem durchdringenden Blick. »Verlasst Euch auf Eure Intuition, versucht nicht immer, rationale Erklärungen zu finden. Die Menschen, die hierherkommen, wollen Abwechslung vom Alltag, sie sind bereit, jedes Spiel zu spielen, das Ihr vorschlagt. Sie sind begierig, etwas Neues kennen zu lernen, sofern es sich nicht zu sehr vom Altbekannten unterscheidet.« Béatrice lächelte spöttisch. »Ihr werdet sehen, es ist viel einfacher, die Wünsche anderer zu befriedigen als die eigenen. Lasst Euch nicht dazu hinreißen, während einer aphrodisischen Nacht selbst Teil des Geschehens zu werden. Wenn Euch jemand gefällt, dann frönt dieser Leidenschaft im Geheimen. Diesen Rat kann ich Euch nicht oft genug geben.«
Elaine nickte. »Danke. Ich werde ihn beherzigen.«
19
Troy hob den Kopf von der Tischplatte und griff nach der Weinflasche, die neben ihm stand. Mit dem zweiten Versuch gelang es
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