Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben
bequemer war, als immerfort davonzutanzen.
Als Pietr bei einem weiteren Ausweichmanöver fast in die Mädchentoilette gepurzelt wäre, warf er mir einen verzweifelten Blick zu.
Ich blieb hart, und Pietr blickte stoisch auf die Uhr, wann immer Sarah in seiner Nähe war.
Zeit bedeutete Pietr Rusakova alles, weil sie ihm unter den Händen zerrann. Werwolfsein brachte Vorteile: Stärke, Wendigkeit, rasche Heilung. Der Preis dafür war eine kurze Lebensspanne und ein Countdown, der wie bei einer Zeitbombe heruntertickte und nach der ersten vollen Verwandlung immer lauter wurde.
Pietr würde sterben.
Und er wusste das.
Einmal hatte er gesagt, dass Zeit keine Rolle spiele, solange er mit mir zusammen sei. So wie er mich küsste, glaubte ich ihm das. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als für ihn die Zeit anzuhalten.
In der Cafeteria packte ich mein Mittagessen aus – Sandwich und Karotten. Beim Aufreißen des Joghurtbechers wusste ich, wie ich anfangen wollte. » Demnächst ist es so weit. « Ich fuhr mit dem Löffel am Boden herum, um die Beeren unterzurühren. Das Beste saß immer ganz unten. Ich überlegte. War da eine Gemeinsamkeit zwischen einem Fruchtjoghurt und der Gesellschaft im Allgemeinen?
» Was? « Pietr reckte verwundert den Hals.
» Na, Halloween « , antwortete ich.
Amy erstickte fast vor Lachen und musste ihre Milch absetzen. » Du bist ja so was von vorhersehbar! «
» Was? « Pietr war jetzt noch neugieriger.
Sarah gluckste.
Ich zuckte mit den Schultern.
» Na klar! « , platzte Pietr plötzlich heraus. Er langte über den Tisch und stupste mich an die Schulter. » Ein Wink mit dem Zaunpfahl – dein Geburtstag, da? «
» Nööö « , sagte ich.
» Frauen! « , unkte Pietr und schob die Gabel ins Essen. » Warte. « Er setzte die Gabel wieder ab. » Du hast mal gemeint, dass du immer eine Art Geburtstagsfeier schmeißt. «
Ich sah nach unten.
» Oh « , meinte er mit einem Blick auf mein Mittagessen.
» Mist. « Amys Stimmung war im freien Fall.
Die Zeitung und die Lokalnachrichten waren voll von Meldungen über Dads Fabrik gewesen. Wenn eine Firma so lange am Ort ansässig war, dann waren Entlassungen ein Thema, das alle anging. Keine Frage, dass unsere Familie alle unnötigen Ausgaben vermied. Wie beispielsweise meine Geburtstagsparty.
» Immerhin hatte ich schon sechzehn davon « , bemerkte ich, um das Thema abzuschließen. Dabei hatte ich es selbst aufgebracht.
Amy starrte auf mein Sandwich. Da sie selbst in der Wohnwagensiedlung wohnte und ihr Vater schon arbeitslos war, konnte sie da ebenso wenig ausrichten wie ich.
Pietr kaute und grinste breit. » Zum Wohl der Gäste werde ich Catherine aus der Küche verbannen müssen, aber Max hat vorgeschlagen, dass wir eine Halloweenparty veranstalten … Und je mehr wir zu feiern haben, desto besser! «
Ich fragte nicht nach, aber ich hoffte, dass seine Worte noch eine verborgene Bedeutung hatten. Vielleicht hatte mehr zu feiern ja etwas mit der Suche nach ihrer Mutter zu tun. Oder damit, von Sarah loszukommen. Was auch immer, beides wäre mir recht.
» Falls du nichts dagegen hast, deinen Geburtstag vorzufeiern, dann kann ich meine Geschwister sicherlich von einer kombinierten Party überzeugen … «
» Was für eine stupende Idee! « , pflichtete Sarah mit einer neuen Errungenschaft in ihrem Vokabular bei. Seit dem Unfall war sie von Wörtern fasziniert und fand häufig welche, die mit fehlten. Eine Faszination für Wörter und für Pietr. » Ich werde mithelfen. «
Für mich verlor die Idee schon wieder an Reiz. » Ich will mich aber bestimmt nicht aufdrängen. «
Pietr trat mich unter dem Tisch vors Schienbein, entgegnete aber lachend: » Aufdrängen? Hilf uns lieber mit der Gästeliste. «
Ich blickte auf die Kette, die funkelnd um seinen Hals hing. Die brauchte er nur abzunehmen, schon hätte er Horden von Mädchen am Hals, die alle Pietr Rusakova begleiten wollten, sei es auch zu einem Nähwettbewerb. Die Rusakovas verfügten über eine seltsame Anziehungskraft, die man nur als den ultimativen animalischen Magnetismus beschreiben konnte. Meine Hilfe brauchte Pietr für die Gästeliste ganz bestimmt nicht.
» Okay « , gab ich nach. » Wenn ich euch da nicht zu viel zumute … Es ist ja eigentlich nichts dabei und ich will nicht aus einer Mücke einen Elefanten machen. «
Amy verdrehte Pietr gegenüber die Augen.
» He! Ist doch so! Es ist nichts dabei « , wiederholte ich.
Diesmal verdrehte sie mir gegenüber die
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