Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben
» Na ja, einmal im Ferienlager … aber das waren nur neunjährige Mädchen. Ehrlich gesagt trainiere ich lieber Pferde als Menschen. «
Rio blieb still stehen, als Derek die Hand auf mein Bein legte. » Dann stell dir einfach vor, ich wäre ein Fohlen, das eine feste Hand braucht. «
Ich wurde rot und in meinem Kopf liefen Bilder von Derek ab wie Ausschnitte aus einem alten Film. Derek beim Football im Park. Derek im Sportunterricht mit freiem Oberkörper. Derek mit seiner marineblauen Badehose im Freibad und tropfnassen Haaren. Derek, wie er mich anlächelt. Derek, wie er mich beim Homecoming-Spiel küsst.
» Woran denkst du? Du grinst von einem Ohr zum anderen. «
Nun war ich wirklich verlegen, weil ich ihn mir nicht als Fohlen, sondern eher als feurigen Hengst vorgestellt hatte. Er ließ die Hand sinken. Ich räusperte mich und verbannte den Gedanken. » Mehr Unterricht würde sich in meinen Collegebewerbungen sicherlich gut machen, aber das kostet Zeit. «
» Jede anständige Ausbildung kostet Zeit. «
» Und, so gern ich das machen würde … «
» Ich würde dich dafür natürlich auch bezahlen. «
» Ich weiß nicht … « Angesichts der Lage in Vaters Firma und ohne Aussicht auf eine Weihnachtsprämie klang die Sache ziemlich verlockend.
» Und zwar anständig « , fügte er zwinkernd hinzu.
An jedem anderen Tag hätte mein Stolz gesiegt und die Vernunft auf den Plan gerufen. Denn, so sehr wir das Geld gebrauchen konnten, was würde Pietr sagen?
Ich nagte auf der Unterlippe. Pietr hatte in den vergangenen Tagen fast nichts gesagt. Derek setzte seinen niedlichsten Hundeblick auf. Und ein kleines feines Bündel Scheine tat ihm kein bisschen weh. » Okay. «
Dad würde ich schon rumkriegen. Hier ging es ums Geschäft, nicht ums Vergnügen.
Und ich konnte das geschäftsmäßig durchziehen. Ihn unterrichten. Deswegen gingen wir noch lange nicht miteinander. Was war schon dabei, dass er mein alter Schwarm war?
» Also gut. Zwei Tage pro Woche. Du kannst sie dir aussuchen. «
» Dienstag und Donnerstag « , antwortete er wie aus der Pistole geschossen.
» Oh. Okay. Dienstag und Donnerstag. «
» Wird er … « Derek hielt inne und sah mir in die Augen, während er mir zum Absteigen eine Hand reichte.
» Was? «
» Wird das mit Pietr Schwierigkeiten geben? « , fragte er. » Ich weiß, dass zwischen euch etwas läuft. Obwohl Sarah nichts davon ahnt. «
» Nein. « Ich ergriff seine Hand, war mir aber nicht so sicher, wie ich vielleicht geklungen haben mochte. Ich schwang das Bein zum Absteigen über den Sattel. Wieder wurde mein Kopf von Bildern überschwemmt, ich sah nur noch verschwommen und meine Hirn spielte mir üble Streiche. Nur eines konnte ich deutlich vor meinem inneren Auge sehen.
Pietr küsste Sarah.
Ich fiel nach vorn.
Und Derek fing mich auf.
Er drückte mich an sich, ließ mich langsam an seiner Brust heruntergleiten, bis mir der Atem stockte und meine Stiefel den Boden erreichten. Unsere Nasen berührten sich fast, und lächelnd meinte er: » Ich will nicht, dass du meinetwegen Schwierigkeiten bekommst. « Und leise fügte er hinzu: » Obwohl du meiner Ansicht nach Besseres verdient hast als einen Pietr Rusakova. «
Er ließ mich los. » Dienstag « , sagte er zur Erinnerung und ging zu seinem Wagen.
Oh ja.
Ganz bestimmt würde es keine Schwierigkeiten geben.
10
S chade, dass du immer noch Hausarrest hast « , bemerkte Sarah – ohne Pietr – eines Morgens auf dem Schulflur.
Gab es überhaupt noch jemanden, der nicht Bescheid wusste?
» Wie war es denn so, dein Rendezvous mit Max, du unverschämtes Gör? « , neckte sie.
Im Ernst? Dafür, glaubten alle, hätte ich mir den Hausarrest eingehandelt? So gut war ich doch gar nicht im Auflegen von Make-up – sonst hätte die CIA sicher längst angefragt, ob ich besonders knifflige verdeckte Ermittlungen für sie übernehmen könnte. Bei all dem Getratsche an der Schule hörte ich gar nicht mehr hin, aber in Junction verbreiteten sich Gerüchte wie ein Lauffeuer.
Ich ließ mir nichts anmerken. » Für mich war es genauso überraschend wie für dich. «
» Und? Geht ihr jetzt zusammen? «
Pietr tauchte auf, mit Sarahs und seinem eigenen Rucksack auf der Schulter. Er blickte mich kurz an und sah sich dann nach der nächsten Uhr um.
Ich musterte Sarah. Sie lächelte.
Verdammt.
Ihre Hand glitt in die seine und sie ließ sie leicht hin- und herschwingen. Unbefangen. Als wären sie wirklich zusammen.
Verdammt.
Einzig
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