Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben

zu verstehen, Miss Gillmansen … «
    » Versuchen Sie’s. «
    Er setzte sich gerade, leckte sich über die Lippen und ließ die Hände auf den Tisch sinken.
    » Was geschieht mit dem zusätzlichen Geld? « Ich ließ nicht locker.
    » Wir bilden damit eine spezielle Rücklage. «
    » Wofür? «
    » Zur freien Verfügung. « Seine dunklen Augen funkelten.
    » Zum Beispiel … «
    » Was immer die Schulverwaltung für nötig erachtet. «
    » Neue Computer? «
    » Möglicherweise. «
    » Funktionierende Trinkwasserspender? «
    » Vielleicht. «
    » Lohnzulagen für niedere Bedienstete und Lehrer? «
    » Nein. «
    » Dafür wäre ich zu haben gewesen. «
    Er schloss kurz die Augen. Ganz langsam. » Miss Gillmansen. Bitte behalten Sie im Auge, dass wir unsere Schüler zwar ermutigen, sich durch Mitarbeit bei der Schülerzeitung und dem täglichen Schulfunk in der Medienberichterstattung zu üben, aber diese Kommunikationskanäle sind nicht dazu da, die Schülerschaft aufzuhetzen.
    Dieses Mensaprogramm ist eine gute Sache. Wir möchten, dass alle mitmachen. Alle Schüler in Junction werden davon profitieren, dass sie schon bald mit sehr viel besserem Essen versorgt werden. « Er trommelte mit den Knöcheln auf den Schreibtisch. » Das müssen Sie klar herausstellen. «
    Er griff nach dem Telefonhörer, drückte eine Taste und meinte zu mir: » Ich freue mich schon auf Ihren Entwurf. «
    » Wie bitte? «
    Er lächelte und sagte ins Telefon: » Ja, sagen Sie ihm, dass es jetzt passt. « Und mit einem Blick zu mir: » Montag früh. «
    » Soll das Zensur sein? «
    » Nein. Nur eine Vorsichtsmaßnahme. «
    Sprachlos ging ich zur Tür hinaus.
    Auf dem Flur begegnete ich Derek.
    » Alles okay? « , fragte er und fasste meinen Arm.
    Meine ganze Wut und Enttäuschung zerrannen unter seiner Berührung wie Wasser. » Ja « , antwortete ich, aber mein Lächeln muss ziemlich dämlich ausgesehen haben. » Geht schon wieder. «
    » Gut « , flüsterte er. » Genau deswegen bin ich hier. «

11
    Während des ganzen Sozialpraktikums ging mir Pietr aus dem Weg. Jaikin, Hascal und Smith hießen mich wieder in unserer ziemlich schrägen Clique willkommen und flirteten im Spaß heftig mit mir, während Pietr mit steifem Rücken vorne im Van saß.
    Sie bewunderten die Wirkung von etwas Make-up auf einem Mädchengesicht, obwohl ich den Tag nicht erwarten konnte, da ich es nicht mehr brauchte und die Pampe, die ich mir in die Poren gerieben hatte, endlich loswurde.
    Pietr beachtete uns nicht. Insbesondere mich. Um ihn zu einer Reaktion zu provozieren, flirtete ich umso heftiger.
    Falls ihm das etwas ausmachte, ließ er es sich nicht anmerken.
    Zweimal führte ich im Pflege- und Altenheim Goldener Oktober zusammen mit Hascal und Smith eine Eidechse spazieren. Hascal trug für unser Unterhaltungsprogramm im Goldenen Oktober wegen seiner Allergie sogar einen Goldfisch im Plastikbeutel herum. Und Smith klebte mir förmlich an den Fersen.
    Die Lage war schwierig, um es vorsichtig auszudrücken.
    Höhepunkt dieser Ausflüge waren die Besuche bei Mrs Feldman im fünften Stock. Sie neckte Smith mit den Karten, die sie aus ihrem seltsamen bunten Kartenstapel zog und ihm daraus verblüffende Tatsachen las, die eigentlich niemand wissen konnte.
    Auch Hascal ließ sie Karten für sich ziehen und er kam aus dem Staunen nicht heraus, als ein ums andere Mal stimmte, was sie dazu erzählte. Lange noch rätselte er wegen Mrs Feldmans Karten herum, und ich genoss es, gleich zwei helle Köpfe gleichzeitig rauchen zu sehen.
    Auch ich war versucht, mir Karten legen zu lassen, aber ich wollte lieber nicht wissen, was die Zukunft brachte, wenn sie ohne Pietr stattfinden sollte. Und dass Mrs Feldman irgendetwas über meine jüngste Vergangenheit herausposaunte, konnte ich mir erst recht nicht leisten. So lächelte ich, zuckte die Achseln und ging nicht weiter auf ihre Angebote ein.
    Da ich selbst bei solchen Kleinigkeiten nicht mitmachte, schien alles noch öder. Wenigstens war Smith noch an mir interessiert – besessen, wenn man’s genau nimmt. Aber mit Pietr redete ich nur übers Wetter und die Hausaufgaben – wenn ich ihm überhaupt etwas aus der Nase ziehen konnte.
    Ich wusste nicht, was ich noch tun konnte.
    Eines Morgens sprach ich in der Eingangshalle Cat an, um nachzufragen. Verzweifelt warf sie die Hände in die Höhe. » Ich habe selbst nicht die leiseste Ahnung, Jessie. Er ignoriert mich praktisch genauso wie dich. « Sie drückte mich kurz, lief zum