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Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben

Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben

Titel: Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Delany
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« , versprach ich und zog meine Hand zurück.
    Ich dachte tatsächlich darüber nach. Den ganzen Tag über. Fast so oft, wie ich daran denken musste, dass mir Pietr aus dem Weg ging.
    Als ich am Nachmittag die Aufgabenliste für die nächste Ausgabe der Schülerzeitung überarbeitet hatte, rief ich bei den Rusakovas an. Hausarrest fühlte sich einfach nicht so bindend an, solange ich in der Schule war.
    Cat ging an den Apparat. » Njet, tut mir leid, Jessie. Pietr hat sich zum Lernen eingeschlossen. Er hat gesagt, er will nicht ans Telefon kommen. Er scheint ziemlich beschäftigt zu sein. Kak dela? Was gibt’s Neues? «
    » Nichts. Hoffentlich. «
    Pietr nahm mich am folgenden Morgen im Schulbus mit einem Nicken zur Kenntnis, aber seinen Schulrucksack nahm er nicht vom Platz neben sich. Ich setzte mich auf den nächstbesten Platz und starrte das unförmige Hindernis böse an.
    » Schau « , sagte ich, strich das Haar nach hinten und präsentierte die blassgelb abgeheilte Beule. » Fast verschwunden. «
    Er nickte mit einer knappen Kopfbewegung. Sein Blick blieb düster. Stürmisch und aufgewühlt.
    » Mir geht’s gut. « Ich streckte meine Hand nach ihm aus.
    Er wich zurück und lächelte gequält. » Das hoffe ich « , entgegnete er, wandte sich ab und starrte wieder aus dem Fenster.
    An diesem Tag gelangen Sarah drei Küsse, und für einen besonders langen suchte sie mit den Fingern festen Halt in seinem dunklen Haarschopf. Viel Gegenwehr schien er mir nicht zu leisten.
    Vielleicht war er nur in Gedanken.
    Vielleicht hatte es mit der Suche nach seiner Mutter zu tun. Aber er sprach nicht mit mir darüber.
    Zu Hause trieb ich Rio abwechselnd zum Galopp an, dann zügelte ich sie wieder in den Schritt und bisweilen ließ ich ihr auf der Wiese freien Lauf, unter stiller Beobachtung von Maggie und Hunter. Die ganze Zeit dachte ich über Pietr nach. Und über seine Familie. Dass die eigene Mutter am Leben war und man nicht zu ihr konnte – sie nicht sehen, nicht umarmen und küssen, ja nicht einmal mit ihr streiten –, das ging über meine Vorstellungskraft hinaus.
    Ich wäre überhaupt nicht zurechtgekommen, darauf warten zu müssen, dass jemand anderes entscheidet, ob und wann ich sie sehen darf. Kein Wunder, waren die Rusakovas Nacht für Nacht unterwegs und suchten nach ihr, während sie auf die Besuchsgenehmigung warteten.
    Ich ließ die Zügel schnalzen und Rio setzte sich in Trab.
    Hätte ich allerdings die Möglichkeit gehabt, meine Mutter – anstelle der Gewissheit, dass sie für immer fort war – ein letztes Mal zu sehen, dann hätte ich geduldig gewartet, bis es so weit war.
    Schließlich steuerten wir wieder den Stall an. Ich richtete mich im Sattel auf, denn dort lehnte jemand am Lattenzaun. Ich zügelte Rio in den Schritt. Was wollte ausgerechnet er hier?
    Derek winkte mir zu. Der Wind spielte mit seinem weichen goldblonden Haar.
    Rio trottete auf ihn zu und ich nickte. Die Verwirrung war mir offenbar anzusehen. » Hey. « Ich spähte zur Einfahrt hinüber. Mercedes. Kein Truck. Dann hatte es auch keinen Zweck, ihm zu erzählen, dass ich Hausarrest hatte und keinen Besuch empfangen durfte.
    Er kam um den Zaun herum und blieb neben Rio stehen. » Ich habe noch mehr über deinen Wiedereinstieg ins Turnierreiten nachgedacht. «
    » Wirklich? Und deshalb bist du hier? «
    » Nicht nur. Aber es ist nicht mehr lang bis zum Golden Jumper. «
    Das Golden Jumper. Der wichtigste Wettkampf bei uns im County. » Zu spät. Die Anmeldefrist ist schon vorbei. «
    » Na und? Chuck und Lucy sind gute Freunde von uns. «
    » Charles Overton und Lucinda Walsingham? «
    » Genau die. « Er grinste, als mir die Kinnlade herunterfiel. » Nun, falls du dort antreten möchtest, könnte ich ja mal sehen, was sich machen lässt … « Er strich sich mit der Hand durch das glänzende kurze Haar.
    » Wirklich? «
    » Wirklich. «
    » Na. Hm. Ja. Bitte « , stammelte ich. Bei der wenigen Zeit bis zum Wettkampf würde ich mich ganz aufs Reiten konzentrieren müssen. » Cool. Und weswegen bist du noch vorbeigekommen? «
    » Ich möchte reiten lernen « , meinte er und blickte betreten zu Boden.
    Ich war ja längst über Derek hinweg, aber er hatte schon was, das musste ich zugeben.
    » Wenn überhaupt jemand über die Engelsgeduld verfügt, mir das beizubringen, dann du. « Sein jungenhaftes Lächeln war einfach überwältigend und trieb mir die Hitze in die Wangen.
    » Ich bin ja eigentlich keine Reitlehrerin « , wandte ich ein.

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