Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben
umdrehte, um zu sehen, wer es wagte, ihn zu unterbrechen. Ich schlug die Augen auf: Amy und Pietr standen auf der anderen Seite des Flurs und zwischen uns strömten die Schüler aus der Cafeteria vorbei.
Amy blickte Derek giftig an und hatte die geballten Fäuste in die Seiten gestützt. Dass ich Derek mochte, war für sie kein Problem gewesen, bis Pietr auftauche. Mit ihm war alles anders geworden.
Pietr starrte … Ich musste blinzeln. Auf meinen Anhänger.
» Was glotzt du so? « , brauste Derek auf und blickte von Pietrs Augen zu meinem Ausschnitt. » Warte « , befahl er, als ich das Bernsteinherz unter den Kragen schieben wollte. Meine Finger zuckten. Ich wartete ab und sah Pietr an.
Pietrs Augen wanderten zu Derek – kühl und unbeteiligt.
» Ist das deiner? « , zischte Derek und schob seine Hand zwischen den Anhänger und mein Schlüsselbein, schleuderte die Worte geradezu nach Pietr.
Pietr beobachtete ihn nur und blieb wie versteinert stehen.
Derek schüttelte meinen Arm und ich sah ihm ins Gesicht. » Das ist wohl seine Leine – sein Würgehalsband. Was fällt dir bloß ein, eine Kette von ihm zu tragen, während er mit Sarah geht? «
Ich schlug die Augen nieder.
» Warum nur? Verdammt! « Etwas knackte leise. Mir stockte der Atem, und ich merkte, dass die feine Kette zwischen Dereks Fingern gerissen war. Er schleuderte den Anhänger auf Pietr.
Nur eine geschmeidige Bewegung, und Pietr hielt den Anhänger – mein Herz – in der Hand, ohne Dereks wütendes Gesicht aus den Augen zu lassen.
» Ich hoffe, du kriegst es in deinen dicken Schädel, Rusakova: Sie gehört nicht zu dir. Nicht mehr. «
Mir zog sich der Magen zusammen, und in der Brust war es so eng, dass ich kaum atmen konnte.
Knurrend zog Derek mich fort.
Und erst jetzt sah Pietr mich wirklich an.
Im Weggehen.
Derek lieferte mich vor meinem nächsten Klassenraum ab. Die ganze Stunde konnte ich nur daran denken, dass Derek genau das erreicht hatte, was Pietr gewollt hatte.
Derek hatte bei meinem Bruch mit Pietr für Klarheit gesorgt.
13
A m nächsten Tag saß Pietr in Sozialkunde nicht mehr neben mir in der ersten Reihe, sondern ganz hinten im Klassenzimmer. Derek übernahm den freien Platz mit der Bemerkung, dass seine Noten nur davon profitieren konnten, dass er nun näher am Lehrer und neben einem klugen Mädchen wie mir saß.
Derek machte sich im Unterricht jede Menge Notizen und kreiste sogar einen Satz ein, den Mr Miles zweimal wiederholt hatte und der mir irgendwie entgangen war. Normalerweise passte ich im Unterricht von Mr Miles ziemlich gut auf, aber neben Derek war es, als säße man neben der Sonne. Es war einfach unmöglich, nicht hinzustarren, so wie er leuchtete.
Als es zum Ende der Stunde läutete, zwängte sich Pietr zwischen Dereks und meinem Platz durch und ging geradewegs zu Mr Miles. Ich wollte eigentlich nicht lauschen, aber die Versuchung war zu groß. Ganz langsam verstaute ich meinen Kuli. Meinen Bleistift. Meinen Notizblock. Mein Lehrbuch. Meine Ohren waren gespitzt für den kleinsten Fetzen ihrer Unterhaltung.
Mein Vorsatz, eine neue Normalität ohne Pietr aufzubauen, war schon bei unserer nächsten Begegnung ins Wanken geraten. Dummes Herz. Dummes Mädchen.
» Ohne triftigen Grund werde ich die Einteilung der Sozialpraktika nicht ändern, Mr Rusakova « , meinte Mr Miles mit ernstem Gesicht.
Sein Sozialpraktikum wechseln? Mir schnürte sich die Kehle zu. Zugegeben, Pietr und ich redeten während des Praktikums kein Wort mehr miteinander, aber es war immer noch besser, ihn überhaupt in meiner Nähe zu haben. Meistens jedenfalls. Wenn es nicht zu sehr schmerzte.
Ach, verdammt.
Pietr blickte über seine Schulter und war sauer, dass ich immer noch nicht verschwunden war. Dereks Kumpels drängten sich vorbei, klopften ihm auf den Rücken, stießen ihn an und scherzten mit ihm. Jeder versuchte auf seine Art, Derek mitzuziehen – von mir loszueisen.
Ich war ja kein Cheerleader und stand damit in der gesellschaftlichen Nahrungskette sehr viel niedriger. Niemand wollte, dass ein Football-Star etwas mit der Herausgeberin der Schülerzeitung anfing.
Derek hatte seinen Rucksack zusammengepackt, lehnte sich an den Nachbartisch und wartete auf mich.
Ich fand Gründe, noch länger auszuharren. Ich sortierte meine Kulis und Stifte. Ich schob den Stapel meiner Lehrbücher zurecht und sortierte sie sorgfältig nach dem Stundenplan. Ich rückte die Notizblöcke gerade. Und dann nahm ich alles wieder heraus,
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