Die Nächte des Wolfs 02 - Zwischen Mond und Verderben

nicht nur auf den männlichen Körper, sie ist auch als Warnung an das andere Geschlecht gedacht. Sie testen uns. Immer wieder. « Sie seufzte. » Hast du einen Bruder? «
    Ich wollte mich aufsetzen, aber mein Kopf war wie mit Blei gefüllt.
    » Ja « , bestätigte Amy.
    » Und? Hat er sich mal wie ein Idiot benommen, dich enttäuscht? «
    Ich versuchte mir vorzustellen, was Amy durch den Kopf gehen musste. Sie liebte ihren Bruder, aber er hatte sich bei der ersten Gelegenheit anwerben lassen und der Familie den Rücken gekehrt. Als sie seine Hilfe am meisten gebraucht hätte.
    » Ja, er ist ein Idiot gewesen « , räumte sie ein.
    Ich drehte mich auf der Liege herum und spähte durch die Augenschlitze.
    Catherine lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. » Aber du liebst ihn. «
    » Natürlich. «
    » Da. Konjetschno. Natürlich.« Cat starrte mich an. » Und Jessie meint, das mit ihr und Pietr kann nicht funktionieren? «
    » Na hör mal. Er lässt sie eiskalt abblitzen. Und klebt mehr an Sarah als je zuvor. Abartig, wenn du mich fragst. Ich kapier’s einfach nicht. Was ist bloß geschehen, das Jessie und Pietr auseinander- und Jessie und Derek zusammengebracht hat? «
    » Hallo, Miss Gillmansen. « Die Krankenschwester kam her, versperrte mir die Sicht und drückte mir ihre Finger auf die Pulsader.
    » Mir geht’s schon viel besser. «
    » Gratuliere. Ihr Puls ist normal. Wie lange brechen Sie schon? «
    » Was? « Ich setzte mich auf. Und bereute es sofort, weil es heftig in meinem Schädel pochte. » Brechen? «
    » Ja. Erst die Essattacke, dann das Erbrechen. «
    Ich musste ein paarmal zwinkern. » Sie denken, ich hätte Bulimie? «
    » Etwa nicht? «
    » Nein. «
    » Nach Auskunft ihrer Freundinnen sind sie aber nach wiederholtem Erbrechen zusammengebrochen. «
    Ich lehnte mich zur Seite und warf Amy und Cat einen bösen Blick zu.
    Amy antwortete mit einem Blick, der bedeutete, Du hättest ja von Anfang an die Wahrheit sagen können …
    » Von wegen, ich würde mich besser fühlen, wenn ich etwas im Magen behalten könnte. «
    Sie legte mir die Hand auf die Stirn. » Warm fühlen Sie sich nicht an, aber wir werden mal nachmessen. Wir hatten mehrere Schüler mit Kopfschmerzen und Magenproblemen hier. Haben Sie gestern oder heute irgendetwas Ungewöhnliches gegessen? «
    Eine merkwürdige Frage. Vielleicht stimmte tatsächlich etwas nicht mit dem Mensaessen. Zum Glück hatte ich meine eigenen Sachen dabei. » Ich glaube nicht, dass es daran liegt. «
    Catherine beugte sich auf ihrem Stuhl nach vorn und wartete.
    Ich sah betont in ihre Richtung. » Bekommen die keine Schwierigkeiten, wenn sie hier herumsitzen und den Unterricht verpassen? «
    Die Krankenschwester pflichtete bei und scheuchte die beiden hinaus. Cat warf mir im Gehen noch einen argwöhnischen Blick zu. Amy streckt mir die Zunge heraus.
    » Nun, Miss Gillmansen, wenn es nichts mit dem Essen zu tun hat und Sie kein Fieber haben « – sie steckte mir ein Thermometer in den Mund – » was ist dann Ihrer Meinung nach der Grund für Ihr Erbrechen? «
    Wieso stellten Krankenschwestern einem Fragen, während man ein Thermometer unter der Zunge behalten sollte? Genau wie die Zahnhygieniker, die während der Zahnreinigung gesprächig wurden. » Almrume. «
    » Wie? «
    Das Thermometer piepste. Sie riss es heraus, prüfte das Instrument – und mich – misstrauisch.
    » Ich war nur ziemlich aufgewühlt. Ich habe zurzeit Albträume und schlafe nicht gut. Und dann kam noch der Geruch von konserviertem Schweinefleisch dazu … «
    » Wann war ihre letzte Periode? «
    » Es liegt bestimmt an den Albträumen. «
    Sie nickte. » Dann sollten Sie sich wegen der Albträume behandeln lassen. Wenn sie solche Reaktionen auslösen … « Sie presste die Lippen aufeinander. » Haben Sie mit Beratungslehrer Maloy darüber gesprochen? «
    Ich seufzte. Nach den bisherigen Gesprächen mit Maloy fragte ich mich ernsthaft, warum nicht er die Hauptrolle in einem meiner Albträume spielte.
    » Wenn nicht mit ihm, dann sollten Sie jemand anderen finden. Einen Spezialisten. «
    Ich dachte an Beratungslehrerin Harnek von der Mittelschule. Sie hatte mich schon einmal gerettet und wollte von mir ohnehin auf dem Laufenden gehalten werden.
    Die Krankenschwester zog eine Schreibtischschublade auf und deutete mein Schweigen offenbar als Nichtkooperation. » Rufen Sie sie an. Sie ist neu, wird aber allgemein empfohlen. «
    Ich beäugte die Karte, die sie mir in die Hand