Die Namen der Toten
schnöseliger Arroganz und Selbstgefälligkeit. Seine Haare waren glatt zurückgekämmt, der Schnurrbart perfekt gestutzt. Er erinnerte an ein Frettchen.
Einer der Einheimischen, ein Gewerkschafter, der ihn und seinesgleichen verachtete, sagte spöttisch: »Der Geschwaderkommandant hat uns mit dem Büro der Konservativen Partei verwechselt. Ein Stück die Straße runter auf der linken Seite, Herr Oberst!«
Barnes beachtete ihn nicht. »Einer sagt mir jetzt, wo ich Reginald Saunders finde!«, rief er mit dröhnender Stimme.
Die Archäologen fuhren herum.
Reggie wollte gerade von der Bar aus mit dem Bier losgehen. Er war nur ein paar Schritte von dem aufgeblasenen kleinen Mann entfernt. »Wer will das wissen?«, fragte er und richtete sich zu seiner vollen, einschüchternden Größe auf.
»Bist du Reginald Saunders?«, fragte Barnes.
»Und wer, zum Teufel, will das wissen, Kumpel?«
»Ich wiederhole meine Frage, bist du Saunders?«
»Ja, ich bin Saunders. Gibt’s was zu klären?«
Der kleine Mann schluckte heftig. »Ich glaube, du kennst meine Frau.«
»Ich kenne auch deine Karre, Chef. Rat mal, was von beidem mir lieber ist.«
Darauf zog der Geschwaderkommandant eine silberne Pistole aus der Tasche und schoss Reggie in die Stirn, bevor irgendjemand etwas sagen oder tun konnte.
Nach dem Gespräch mit Winston Churchill wurde Geoffrey Atwood in einem Lastwagen der Army nach Hampshire zurückgebracht. Neben ihm saß mit ausdrucksloser Miene ein junger Captain auf der Holzbank, der nur etwas sagte, wenn man ihn ansprach. Ihr Ziel war ein Stützpunkt aus Kriegszeiten, wo die Army immer noch ein Übungsgelände und große Mannschaftsunterkünfte unterhielt. Dort waren Atwood und seine Leute festgesetzt worden.
Als sie losfuhren, hatte Atwood gefragt: »Warum wurde ich in London nicht freigelassen?«
»Ich habe die Anweisung, Sie nach Aldershot zurückzubringen.«
»Und warum, wenn ich fragen darf?«
»So lauten meine Anweisungen.«
Atwood war lange genug bei der Army gewesen, um zu erkennen, wann er es mit blindem Gehorsam zu tun hatte, daher sparte er sich jedes weitere Wort. Er nahm an, dass mittlerweile schon ein paar Rechtsanwälte dabei waren, eine Geheimhaltungsvereinbarung aufzusetzen, und dass alles gut werden würde.
Während der Wagen schaukelnd und mit knarrender Federung dahinrumpelte, versuchte er sich mit dem Gedanken an seine Frau und die Kinder aufzumuntern, die außer sich vor Freude sein würden, wenn er zurückkehrte. Er dachte an ein gutes Essen, ein heißes Bad und seine beruhigend prosaischen akademischen Aufgaben, denen er sich wieder widmen würde. Die Entdeckungen aus Vectis würde man natürlich auslassen, seine Notizen und Fotos würde man vernichten; im Grunde musste er das Ganze aus seinem Gedächtnis löschen. Vielleicht würde er sich ja manchmal heimlich mit Beatrice in seinen Räumen über dem Museum bei einem Glas Sherry darüber unterhalten, aber die umstandslose Inhaftierung des gesamten Teams zeigte die gewünschte Wirkung – er hatte Angst. Größere Angst als während des gesamten Krieges.
Als er zu der Häftlingsbaracke zurückkehrte, war es Nacht, und seine Gefährten umringten ihn wie Paparazzi einen Filmstar. Sie waren blass und entmutigt, hatten abgenommen und waren am Ende ihrer Nerven. Beatrice war getrennt von den Männern untergebracht, durfte sich aber tagsüber mit ihnen in einem Gemeinschaftsraum aufhalten, in den ihnen ihre Aufpasser eintönigen Armyfraß brachten. Martin, Timothy und Dennis spielten eine Partie Rommé nach der anderen, Beatrice beschimpfte regelmäßig die Wachen, und Ernest saß deprimiert in einer Ecke und knetete stundenlang nervös die Hände.
Alle hatten sie ihre ganze Hoffnung auf Atwoods Gespräch in London gesetzt, und jetzt, da er zurück war, wollten sie jedes Detail wissen. Sie hörten gespannt zu, als er von seiner Unterhaltung mit Stuart berichtete, und applaudierten mit Tränen in den Augen, als er ihnen erklärte, dass sie demnächst freigelassen werden würden. Es ginge nur noch darum, ein paar geheime Übereinkünfte mit der Regierung bis zur Unterschriftsreife auszuarbeiten. Selbst Ernest wurde wieder munterer und zog mit entspannter Miene seinen Stuhl näher zu den anderen.
»Wisst ihr, was ich mache, wenn ich wieder in Cambridge bin?«, fragte Dennis.
»Das interessiert uns nicht, Dennis«, wollte Martin ihn ausbremsen.
»Ich nehme ein Bad, ziehe mir frische Sachen an, gehe in den Jazzclub und suche mir ein
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