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Die Namen der Toten

Die Namen der Toten

Titel: Die Namen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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5000-Dollar-Tische stand zur Auswahl, und er entschied sich für den, an dem Marty, einer seiner Lieblingsdealer, arbeitete. Marty, dessen wellige braune Haare zu einem ordentlichen kleinen Pferdeschwanz gebunden waren, stammte aus New Jersey. Seine Augen strahlten, als er Mark kommen sah. »Hey, Mr. Benedict, ich habe einen schönen Stuhl für Sie!« Mark setzte sich und murmelte den vier anderen Spielern, lauter Männer, alle todernst, ein kurzes »Hallo« zu. Er zog sein Geldbündel heraus und tauschte es gegen Chips im Wert von 8500 Dollar ein. Er türmte sie zum höchsten Stapel auf, den Marty je vor ihm gesehen hatte. »Okay!«, sagte er so laut, dass es der in der Nähe stehende Aufseher hörte. »Hoffentlich läuft es heute Abend gut für Sie, Mr. B.«
    Mark ordnete seine Chips und starrte sie an, als wüsste er nicht, was er damit machen sollte. Er setzte das 500-Dollar-Minimum und spielte ein paar Minuten lang wie mechanisch, ohne etwas zu verlieren oder zu gewinnen, bis Marty mischte und ein neues Spiel begann. Dann wurde sein Kopf klarer, so als hätte ihm jemand Riechsalz unter die Nase gehalten, und er hörte die Zahlen in seinem Kopf klingeln, als ertönte eine Warnboje im Nebel.
    Plus drei, minus zwei, plus eins, plus vier.
    Die Zahlen drängten sich ihm förmlich auf, und wie hypnotisiert setzte er zum ersten Mal der Summe entsprechend. In der nächsten Stunde erhöhte er oder hielt sich zurück, setzte bei niedriger Summe nur das Minimum und ging bei hoher aufs Ganze. Sein Stapel wuchs auf 13000 Dollar an, dann auf 31000, und er spielte weiter, nahm kaum wahr, dass Marty gegangen und durch einen Sauertopf namens Sandra ersetzt worden war, die nikotingelbe Fingerspitzen hatte. Ihm fiel auch nicht auf, dass Sandra eine halbe Stunde später anfing, öfter zu mischen. Und er registrierte kaum, dass sein Stapel Chips auf über 60000 Dollar angewachsen war. Er nahm kaum wahr, dass sein Bier nicht mehr nachgefüllt wurde. Und er nahm es auch kaum wahr, als der Aufseher mit zwei Wachmännern neben ihn trat.
    »Mr. Benedict«, sagte der Aufseher. »Würden Sie kurz mitkommen?«
     
    Gil Flores lief mit raschen kleinen Schritten auf und ab, wie einer der Sibirischen Tiger in einer alten Show von Siegfried & Roy. Der unterwürfige Mann, der beschämt vor ihm saß, konnte förmlich den heißen Atem auf seinem kahlen Schädel spüren.
    »Was, zum Teufel, haben Sie sich dabei gedacht?«, herrschte Flores ihn an. »Haben Sie geglaubt, wir bemerken das nicht, Peter?«
    Mark antwortete nicht.
    »Wollen Sie etwa nicht mit mir reden? Das hier ist kein verfluchtes Gericht. Hier gelten Sie nicht als unschuldig, solange Ihre Schuld nicht bewiesen ist. Sie sind schuldig, mein Freund. Sie haben mich nach Strich und Faden beschissen, und so was mag ich nicht.«
    Ein ausdrucksloser, stumpfer Blick.
    »Ich glaube, Sie sollten mir antworten. Ich glaube wirklich, Sie sollten mir lieber antworten.«
    Mark schluckte so heftig, dass ein trockenes, gequältes Glucksen aus seinem Mund kam. »Es tut mir leid. Ich weiß nicht, warum ich es gemacht habe.«
    Gil fuhr sich mit der Hand durch die dichte schwarze Mähne und zerzauste sie vor Verzweiflung. »Wie kann ein intelligenter Mensch sagen: ›Ich weiß nicht, warum ich es gemacht habe‹? Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Natürlich wissen Sie, warum Sie es gemacht haben. Also: Warum haben Sie das gemacht?«
    Mark schaute ihn endlich an und fing an zu weinen.
    »Heulen Sie mir nichts vor«, warnte ihn Flores. »Ich bin nicht Ihre verfluchte Mutter.« Mit diesen Worten warf er ihm eine Packung Papiertaschentücher in den Schoß.
    Mark tupfte sich die Augen ab. »Ich habe heute eine ziemliche Enttäuschung erlebt. Ich war wütend. Ich war sauer, und vermutlich wollte ich mich abreagieren. Es war dumm, und ich entschuldige mich dafür. Sie können das Geld behalten.«
    Flores war schon fast besänftigt gewesen, aber dieser Vorschlag brachte ihn erneut auf die Palme. »Ich kann das Geld behalten? Meinen Sie das Geld, das Sie mir gestohlen haben? Ist das Ihre Lösung? Mir etwas zu lassen, das mir bereits gehört, verflucht nochmal!«
    Mark zuckte zusammen und verbrauchte ein weiteres Taschentuch.
    Das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte.
    Flores nahm ab und hörte eine Weile zu. »Sind Sie sich sicher?« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Natürlich. Absolut.«
    Er legte auf und stellte sich so dicht vor Mark, dass dieser den Hals recken musste. »Okay, Peter, wir gehen

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