Die Namen der Toten
Geplauder hatte er nichts übrig, und heute Nacht schon gar nicht. Irgendwo an der Bar surrte ein Mixer.
Luis fuhr ungerührt fort. »Ich mag die schrägen Wände in den Zimmern, Sie wissen schon, wegen der Pyramide. Ich finde das ziemlich cool, verstehen Sie?« Luis wartete auf eine Antwort, und Mark musste etwas sagen, wenn er nicht riskieren wollte, womöglich eine geknallt zu bekommen.
»Ich habe noch nie hier übernachtet.«
»Nein? In welchem Hotel übernachten Sie denn?«
»Ich wohne in Vegas.«
»Ohne Scheiß? Ein echter Einheimischer! Das gefällt mir! Ich bin so ungefähr zweimal die Woche hier und habe noch so gut wie keine Leute aus Vegas kennengelernt, mal abgesehen von den Leuten, die hier arbeiten.«
Der Barkeeper goss etwas Dickflüssiges aus dem Mixer in Luis’ Glas. »Frozen Margarita«, erklärte Luis stolz. »Möchten Sie auch eine?«
»Nein, danke. Ich halte mich an mein Bier.«
»Heineken«, stellte Luis fest. »Ein gutes Bier.«
»Ja, ein gutes Bier«, erwiderte Mark steif. Leider war sein Glas noch zu voll, als dass er einen eleganten Abgang hätte machen können.
»Und was arbeiten Sie, Peter?«
Mark warf einen Seitenblick auf Luis und bemerkte, dass er einen komisch aussehenden Schaumschnurrbart an der Oberlippe hatte. Wer sollte er heute Abend sein? Schriftsteller? Spieler? Wie bei einem Geldautomaten klackerten diverse Möglichkeiten durch seinen Kopf, bis die Räder stehen blieben. »Ich bin Autor«, antwortete er.
»Ohne Scheiß? Schreiben Sie Romane?«
»Filme. Ich schreibe Drehbücher.«
»Wow! Habe ich schon mal einen Film von Ihnen gesehen?«
Mark rutschte auf seinem Hocker herum. »Sie sind noch nicht produziert, aber ich erwarte noch in diesem Jahr einen Vertrag mit einem Studio.«
»Das ist ja super, Mann! Schreiben Sie Thriller? Oder mehr Komödien?«
»Hauptsächlich Thriller. Aufwendige Sachen, die ein ziemlich dickes Budget verschlingen.«
Luis schlürfte ein paar Mal kräftig an seinem Getränk. »Und woher haben Sie Ihre Ideen?«
Mark deutete in die Runde. »Von überall. Das hier ist Vegas. Wenn einem in Vegas nichts einfällt, fällt einem nirgendwo etwas ein.«
»Ja, verstehe, was Sie meinen. Vielleicht könnte ich ja mal irgendwas lesen, was Sie geschrieben haben. Das wäre cool.«
Mark wollte das Thema wechseln, also stellte er seinerseits eine Frage. »Und was machen Sie, Luis?«
»Ich bin Flugbegleiter, Mann. Bei U.S. Air. Das ist meine Strecke, von New York nach Vegas. Ich fliege hin und zurück, zurück und wieder hin.« Mit einer Handbewegung untermalte er seine Worte.
»Gefällt Ihnen der Job?«, fragte Mark mechanisch.
»Wissen Sie, es ist okay. Es ist ein sechsstündiger Flug, sodass ich ein paar Mal die Woche in Vegas übernachte, also, ja, es gefällt mir ziemlich gut. Ich könnte ein bisschen mehr verdienen, aber ich bekomme Zuschläge und so, und meistens werden wir anständig behandelt.«
Luis’ Drink war leer. Er winkte dem Barkeeper. »Sind Sie sicher, dass ich Ihnen keinen bestellen soll, oder noch ein Heineken, Peter?«
Mark lehnte ab. »Ich muss bald los.«
»Spielen Sie an den Tischen?«, fragte Luis.
»Ja, ich spiele manchmal Black Jack«, antwortete Mark.
»Das Spiel mag ich nicht besonders. Mir sind die Automaten lieber. Aber ich bin Flugbegleiter, Mann, also muss ich höllisch aufpassen. Ich setze mir ein Limit von fünfzig Kröten. Wenn ich die verballert habe, ist Schluss.« Er straffte sich ein bisschen, dann fragte er: »Setzen Sie hoch?«
»Manchmal.«
Eine weitere Margarita wurde gebracht. Luis wirkte ziemlich nervös und leckte sich ständig die Lippen. Er zückte seine Brieftasche und bezahlte seine Drinks mit einer Visa-Karte. Die Brieftasche war schmal, aber voll, und mit der Kreditkarte rutschte Luis’ New Yorker Führerschein heraus. Geistesabwesend ließ er ihn auf der Bar liegen, legte seine Brieftasche darauf und trank einen großen Schluck von seiner neuen Margarita.
»Also, Peter«, sagte er schließlich. »Haben Sie Lust, heute Abend auf mich zu setzen?«
Mark verstand die Frage nicht. Sie verwirrte ihn. »Ich weiß nicht, was Sie damit meinen.«
Luis schob seine Hand über das glänzende Holz, bis sein kleiner Finger ganz leicht Marks Hand berührte. »Sie haben gesagt, Sie wissen nicht, wie die Zimmer hier aussehen. Ich könnte Ihnen meines zeigen.«
Mark wurde fast schwindlig. Er befürchtete, ohnmächtig zu werden und vom Barhocker zu fallen wie ein Betrunkener in einer
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