Die Namenlose
dennoch spürte sie die Bedrohung, die davon ausging.
Aus der Tiefe schob sich eine unförmig rötlich braune Masse herauf. Zwei Fühlerpaare von unterschiedlicher Länge zuckten auf die Qualle zu.
Burra vermochte nicht zu sagen, was sie eigentlich erwartet hatte, aber wenn dies die Anemona war, so mußte die Göttin von riesenhafter Gestalt sein und keinesfalls menschenähnlich.
Flüchtig glaubte die Amazone, von mehr als doppelt faustgroße Augen an den Fühlerenden angestarrt zu werden. Doch sie war sich dessen nicht sicher. Das Meer begann aufzuwallen, aus der Felsspalte quoll ein Schwall dunkler Flüssigkeit.
Für Burra war der Augenblick des Zuschlagens gekommen. Ihre Klingen rissen klaffende Wunden in die Haut der Qualle.
Das Tier bäumte sich auf, die Kriegerin wurde haltlos herumgewirbelt und fiel. Über ihr schlug das Wasser zusammen. Zwei Fühler schnellten auf sie zu. Einer davon traf sie an der Schulter; ein stechender Schmerz durchzuckte ihren Arm, während sie gleichzeitig mit Dämon zustieß.
Nesselfäden umschlangen Burras Beine und zogen sie erbarmungslos auf den düster gähnenden felsigen Schlund zu, der in unergründliche Tiefe zu führen schien. Dagegen gab es kein Bestehen, selbst Dämons Schärfe vermochte die Fesseln nicht schnell genug zu durchschlagen. Enorme Kraft war nötig, das Schwert wie gewohnt zu handhaben.
Burra beachtete die flüchtigen Schatten nicht, die sie aus den Augenwinkeln heraus wahrnahm. Ihr begannen die Sinne zu schwinden. Seltsam, aber in diesem Moment dachte sie an den Ring von grünem Feuer, den Gaida von Anakrom, ihre Mutter, für sie bestimmt gehabt. Vielleicht hätte der Kristall sie auch jetzt erretten können. Doch sie besaß ihn nicht mehr, hatte seine magischen Kräfte im Kampf gegen den Dämon vertan, damals, vor vielen Sommern.
Die Schatten erwiesen sich als Tritonen, die von oben herabstießen. Ihre Waffen führten sie mit solcher Geschicklichkeit, als hätten sie nie anderes getan.
Aber kein Dreizack prallte gegen die Rüstung der Kriegerin. Der Angriff der Fischmenschen galt nicht ihr.
Burra sah ein Gesicht vor sich, das ausgerechnet hier wiederzusehen sie nie erwartet hätte. Fast schien es ihr wie ein Wunder, wie Zauber.
Und hinter Gudun kam - Honga.
Gudun und der wiedergeborene Tau trugen prall gefüllte Schwimmblasen großer Fische, die sie offensichtlich in ihren Bewegungen behinderten. Schon deshalb vermochte Burra sich nicht vorzustellen, welchem Zweck sie dienten.
Aber dann gewahrte sie die dünnen Schläuche, die von den Häuten ausgingen und deren freie Enden Honga und Gudun im Mund hielten. Der Mann stach nach einem der erneut heranschnellenden Fühler, während die Kriegerin rasch weiterschwamm. Sie hielt Burra die Schwimmblase hin und bedeutete ihr, zuzugreifen.
Die Bewegungen der Amazonenführerin wurden bereits schwächer. Als sie den kaum fingerdicken Schlauch ergriff, der nichts anderes war als der präparierte Darm eines Tieres, stiegen Luftblasen aus dessen Öffnung auf.
Burra verstand sofort und tat, wie sie es von Gudun und Honga gesehen hatte. Die Luft, die sie gleich darauf atmete, schmeckte zwar schal und verbraucht, bewahrte jedoch vor dem Ersticken.
Nach zwei hastigen Atemzügen wich der beklemmende Druck von Burras Brust, auch schwanden die Schleier vor ihren Augen. Wieder hielt sie den Atem an und gab Gudun die Blase zurück.
Einige der Tritonen trugen seltsam anmutende, aus einer Vielzahl von Sehnen bestehende Waffen, die noch am ehesten an zusammengedrückte Bogen erinnerten. Mit ihnen konnten sie armlange, mit Widerhaken versehene Pfeile versenden.
Schuß auf Schuß jagten sie in den Felsspalt hinein. Die Göttin des Meeres zog sich wieder zurück, und das unheimliche Schmatzen und Saugen, das aus der Tiefe kam, wurde lauter.
Zwei Tritonen ergriffen Burra unter den Armen und zerrten sie mit sich. Jemand reichte ihr eine luftgefüllte Schwimmblase.
Weit über sich sah sie noch immer die regungslose Gestalt der Meermutter. Weshalb griff die Schwarze nicht ein, nutzte nicht ihre Macht, um die Fliehenden zu zerschmettern? Fürchtete sie, der Anemona damit Schaden zuzufügen?
Vier der Hohenpriesterinnen kamen heran, von einem eigenartig leuchtenden Schimmer umflossen. Gleich einem Kugelblitz huschte die Helligkeit auf den nächsten Okeazar zu und hüllte ihn ein. Als die Erscheinung den Bruchteil eines Lidschlags später verschwand, war der Rebell tot.
Ein stärker werdender Sog entstand, der den Leichnam auf
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