Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Narben der Hoelle

Die Narben der Hoelle

Titel: Die Narben der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. Dieter Neumann
Vom Netzwerk:
,Teehändler’, nichts von dessen Geschäften, nichts von seinen Telefonaten nach Usbekistan, Russland und ins Nachbarland Pakistan.
    Dabei musste Jamal nicht einmal so sehr vor Abdul Kalakani auf der Hut sein. Gefahr ging vor allem von dessen Sohn Sayed aus, der schon misstrauisch geworden wäre, hätte er gewusst, dass der Oberst überhaupt ein Notebook besaß. Für seine Aufgabe, die Kämpfer des Warlords zu kommandieren, hätte es freilich eines solchen Geräts auch nicht bedurft. Eine feste Verbindung zwischen der Residenz des Fürsten und dem Truppenlager – das war alles. Nicht einmal Mobiltelefone waren zu gebrauchen. Es gab kein Netz. Hier im Grenzland standen keine Masten.
    Auf Kalakanis Anwesen war selbstverständlich eine hochmoderne Satellitenanlage installiert. Vor allem Sayed konnte darüber mit der ganzen Welt Verbindung aufnehmen.
    Für Jamal war derlei nicht vorgesehen.
    Grimmig lenkte der Oberst der Miliz seinen Jeep an den kratertiefen Schlaglöchern vorbei.
    Für ihn war sowieso sehr wenig vorgesehen, das war ihm schon lange klar. Anfangs war er nur verbittert gewesen über die Arroganz, mit der ihn sein ehemaliger Kamerad behandelte, kaum dass er die Nachfolge seines Vaters als Provinzfürst angetreten hatte.
    Mit den Jahren war daraus Hass geworden.
    Ungefähr einen Kilometer vom Dorf entfernt, hinter einem verfallenen Schafstall stellte er das Auto ab. Sorgfältig vervollständigte er seine Maskerade als fahrender Händler. Sein Gesicht tarnte er mit einem bis über die Nase hochgezogenen Tuch. Dann nahm er die Umhängetasche mit dem Akku und seinem Notebook und machte sich in der hereinbrechenden Dämmerung auf den Fußmarsch ins Dorf. Bei seinem Eintreffen dort würde es schon dunkel sein.
    Allmächtiger, wenn Abdul ihn jetzt sehen könnte …
    Wieder einmal spürte Jamal die Gefahr, in der er schwebte.
    Aber was blieb ihm übrig? Der Fürst hatte ihre Ideale verraten. Und damit auch seinen Kampfgefährten, der früher für ihn in den Tod gegangen wäre.
    Was war geblieben von den Schwüren, die der junge Abdul einmal abgelegt hatte? Kaum an der Macht, hatte er sie allesamt gebrochen.
    Welch revolutionäre Zukunftspläne für ihr Volk hatten sie damals geschmiedet, als sie nächtelang in den eisigen Stellungen hoch in den Bergen gelegen hatten! Jamal sollte als rechte Hand des jungen Fürsten eine Schlüsselrolle in der Provinz einnehmen. Den riesigen Reichtum hatten sie teilen und gemeinsam mehren wollen, hatten sich geschworen, ihrem Volk zu einem besseren Leben zu verhelfen. Koranschulen für alle Dörfer, anständige Straßen, Kanalisierung und Elektrizität. In den eisigen Nächten ihrer Wachen träumten sie von einem blühenden Afghanistan.
    Ständiger Beschuss der sowjetischen Aggressoren, schlechte Verpflegung, fürchterliche Schneestürme, gemeinsam hatten sie alles durchlitten. Stolze Mudschaheddin, die die übermächtige sowjetische Armee schließlich in die Flucht schlugen.
    Jamal war fest überzeugt gewesen, dass der junge Abdul und er unzertrennliche Freunde fürs Leben waren.
    Ein Trugschluss, wie er heute wusste.
    Kaum waren die Ungläubigen vertrieben, trat Kalakani unverzüglich die Nachfolge seines verstorbenen Vaters als Provinzfürst an. Fortan hatte er nichts anderes mehr im Sinn, als seinen Reichtum zu mehren, seine Macht zu festigen und auszuweiten.
    Vergessen waren all die hehren Ziele. Vergessen war auch er, Jamal. Nicht einmal von der glorreichen Zeit des gemeinsamen Kampfes durfte er noch schwärmen.
    ,Wir sind keine Mudschaheddin mehr, Jamal. Wann wirst du das endlich begreifen? Die alten Geschichten nützen mir nichts mehr. Ich muss mich um meine Geschäfte kümmern … ’
    ,Alte Geschichten’. Das hatte er tatsächlich gesagt.
    Vergessen war auch, dass Jamal ihm das Leben gerettet, ihn, den schwer Verwundeten, ins Tal zum Feldlazarett getragen hatte. Nach dieser tagelangen Tortur war Jamal selbst fast erfroren, völlig entkräftet und halb tot gewesen.
    Nur noch ,alte Geschichten’.
    Schnell war Jamal klar geworden, was damit gemeint war: Er, dem Abdul sein Leben zu verdanken hatte, war jetzt dessen Befehlsempfänger. Er ging nicht mehr in der Residenz des Fürsten ein und aus. Das Truppenlager wurde sein Quartier.
    Er hatte zu erscheinen, wenn er gerufen wurde.
    Heute durfte sich sogar sein Sohn anmaßen, dem verehrten und respektierten alten Mudschaheddin Befehle zu erteilen, ihn gar in der Jirgah vor allen Anwesenden zu kritisieren.
    Rache. Es gab

Weitere Kostenlose Bücher