Die Narben der Hoelle
erwarte, dass du ein Auge auf Jalani-Kalay hast. Du musst mit deinen Leuten überwachen, ob die Fremden etwas vom Betrieb in unserer Fabrik mitbekommen.«
Du täuschst mich nicht mehr, dachte der alte Kämpfer.
Dabei kam diese Anweisung seinen Plänen durchaus entgegen. Er tat daher besänftigt, als er antwortete: »Ich bin mir sicher, dass sie ab sofort nur noch ein Ziel haben, nämlich ihre Soldaten wiederzufinden und zu befreien. Alle ihre Patrouillen und was sie sonst noch haben, werden sie jetzt dafür einsetzen.«
»So war es schließlich geplant. Deshalb kannst du auch nicht unentwegt in den Höhlen sitzen.« Der Warlord lehnte sich zurück und klatschte laut in die Hände. »Nun lass uns erst einmal Tee trinken, alter Freund!«
Die Doppeltür zum Arbeitszimmer ging auf und eine seiner Töchter kam mit Tee und Gebäck herein. Sie stellte das Tablett schweigend zwischen die beiden Männer und verließ sofort wieder den Raum.
Der Fürst schenkte zwei Gläser voll, tat vier Stück Zucker in das seine, nahm einen Schluck und sagte: »Jetzt ist es wichtig, dass wir möglichst viel Zeit gewinnen. Solange die Ungläubigen auf der Suche nach ihren Soldaten sind, werden sie uns nicht weiter belästigen.«
Jamal trank ebenfalls von seinem Tee und fragte: »Wann werden sie denn den Lösegeld-Brief von unseren wackeren Taliban erhalten?«
»Nun, ich denke, wir lassen sie erst einmal schmoren. Sollen sie doch ihre Vermutungen anstellen und suchen, soviel sie wollen. In einer Woche schicken wir dann die Lösegeld-Forderung.« Lächelnd setzte er hinzu: »Und danach werden wir die Verhandlungen in die Länge ziehen, bis wir unsere Ernte verarbeitet haben. Was meinst du dazu?«
Jamal hatte durchaus eine Meinung. Und vor allem seine ganz eigenen Vorstellungen vom Ablauf der Ereignisse in den nächsten Tagen.
Die beruhten jedoch auf einem ganz anderen Zeitplan.
Das allerdings würde er Kalakani ganz sicher nicht auf die Nase binden. »Sehr gut, Abdul, sehr gut«, sagte er und trank seinen Tee aus. Dann erhob er sich. »Du erlaubst, dass ich mich verabschiede? Die Wachen müssen eingeteilt werden und ich habe noch viel zu organisieren.«
Der Warlord stand ebenfalls auf. »Ist gut. Sayed wird schon heute Abend in den Höhlen sein und kann dich dann ein bisschen entlasten.«
Im Gehen drehte sich Jamal noch einmal um und fragte lauernd: »Und Hashmat? Kommt der auch dorthin?«
»Ja richtig! Hashmat wird ihn begleiten, das hatte ich vergessen. Ich möchte ihn übrigens ab sofort immer zu meiner persönlichen Verfügung haben. Sayed versteht sich gut mit ihm.
Mir ist wohler, wenn ich weiß, dass Hashmat an seiner Seite ist.« Kalakani hielt kurz inne und setzte dann beiläufig hinzu: »Du verstehst das sicher.«
Es kostete den alten Kämpfer schier übermenschliche Kraft, seinen Hass nicht zu zeigen. Nach ein paar Atemzügen antwortete er gepresst: »Ich hatte das schon vermutet, so wie du Hashmat in der letzten Zeit behandelt hast. Er ist ein guter Mann. Klug von dir, ihn deinem Sohn zur Seite zu stellen!«
Damit verbeugte er sich kurz und verließ den Raum.
Als er in seinen Geländewagen stieg, zündete er sich eine seiner Zigaretten an, sog den Rauch tief in die Lungen und flüsterte: »Wirklich klug, die beiden zusammen in die Höhlen zu schicken. Aber nicht klug für dich. Und schon gar nicht für die beiden … «
Er drehte den Zündschlüssel und gab so viel Gas, dass der Turbodiesel aufbrüllte. Vorbei an den erstaunten Wachposten preschte der Wagen in einer Staubwolke durch das Tor.
*
Mein liebster Johannes,
dies ist der schwerste Brief, den ich jemals habe schreiben müssen. Ich schäme mich dafür, dass ich nicht den Mut hatte, Dir meinen Entschluss schon mitzuteilen, bevor Du abgeflogen bist. Aber ich wollte Dir das Herz nicht noch schwerer machen. Außerdem habe ich mich davor gefürchtet, Dir das alles persönlich ins Gesicht zu sagen. Nenn es feige, aber ich habe es einfach nicht übers Herz gebracht.
Nun bist Du also wieder fort und machst Deine gefährliche Arbeit. Ich denke jeden Tag an Dich und hoffe, dass Dir nichts passiert, dass Du gesund an Leib und Seele (!) wieder zurückkommst.
So schwer es Dir auch fallen mag: Bitte glaube mir, dass ich Dich liebe. Dennoch halte ich dieses Leben, das wir führen, nicht mehr aus. Seit wir uns kennen, waren wir häufiger getrennt als zusammen. Auch jetzt sitze ich hier in unserer Wohnung und bin allein. Und ich weiß, dass ich nicht nur eine oder zwei
Weitere Kostenlose Bücher