Die Narben der Hoelle
paar Minuten lang döste er vor sich hin. Erst als er sah, dass nur noch wenig Wasser in der Bilge stand, schaltete er die Pumpe aus. Falls doch wieder etwas undicht werden sollte, würde er sie noch brauchen …
Und nun erst, als etwas Ruhe einkehrte, machte auch die Katze auf sich aufmerksam. Johannes war gerade damit beschäftigt, seinen Arm zu verarzten. Er saß, den geöffneten Verbandkasten vor sich, am Salontisch, als er ein Miauen oben an Deck hörte.
»Komme gleich zu dir, kriegst was Gutes zu essen!«, rief er und wunderte sich nicht wenig über seine Freude, dass sie die letzten Stunden offenbar unversehrt überstanden hatte.
Er fixierte den sterilen Verband mit zwei Klammern und ging zum Kombüsenschrank. Mit einer Schale, gefüllt mit dem Inhalt der letzten Dose Thunfisch, stieg er nach oben und sah im ersten Licht der Morgendämmerung, dass das kleine graue Tier ganz vorn an der Bugspitze kauerte.
Aber er sah nun auch die Schäden, die der Motorsegler angerichtet hatte.
Schlimmer hätte es kaum sein können. Seine Kräfte würden nicht reichen, um wenigstens das gröbste Chaos zu beseitigen, das erkannte er sofort.
Er sehnte sich nach ein paar Stunden Schlaf.
Doch erst musste er selbst etwas essen. Verwundert stellte er fest, dass er Hunger verspürte.
Kein schlechtes Zeichen.
Alle Versuche, die Katze mit dem Futter zu sich zu locken, blieben erfolglos.
»Wundert mich gar nicht, dass du verstört bist«, murmelte Johannes in ihre Richtung. »War ja auch ziemlich was los hier heute Nacht … «
Die Schale stellte er einfach aufs Deck, um das Tier nicht noch weiter zu ängstigen.
Mit ein paar belegten Broten und einer Kanne Kaffee, extra stark, saß Johannes eine Viertelstunde später im Cockpit und beobachtete die ersten Strahlen der Morgensonne, die sich drüben am Horizont über der Küste zeigten.
Der Wind hatte mit Tagesanbruch sogar noch leicht zugelegt. Erste kleine weiße Schaumkämme auf dem Wasser zeigten sich jetzt sogar hier in der Bucht.
Der Motor der Akgül brummte mit leicht erhöhter Drehzahl im Leerlauf vor sich hin. Johannes hatte die Maschine vorhin gestartet, um die Batterien aufzuladen.
Die Dünung in der Bucht wurde stetig höher. Misstrauisch blickte er in den Himmel.
Da war es, das kleine, aber starke Tief, das ihm auf der Wetterkarte beim Hafenkapitän ins Auge gefallen war! Ganz offensichtlich hatte es seine Zugrichtung nicht geändert. Aber hier hinter der Insel lag er wohl sicher.
Er schaute nach vorn zum Bug, konnte die Katze jedoch nirgends entdecken. Gleich wollte er einmal nachsehen, ob sie ihre Schale inzwischen leer gefressen hatte.
Hungrig griff er zum Cockpittisch nach einer Brotscheibe mit Salami. Sofort meldete sich der stechende Schmerz unter dem Verband am Oberarm. Der Streifschuss hatte ziemlich viel Gewebe weggerissen. Die Wunde war schmerzhaft, auch würde sie eine üble Narbe hinterlassen, aber sie würde vermutlich problemlos verheilen. Er hoffte nur, dass seine laienhafte Wundversorgung wenigstens eine Entzündung verhinderte.
Gleich nach seinem Frühstück wollte er sich hinlegen – Dünung hin oder her. Der Anker hielt bombenfest, und er brauchte unbedingt Schlaf.
Doch zunächst musste er Mehmet anrufen und ihm berichten, was hier los war. Und um Rat fragen, was er tun sollte.
Mal sehen, ob dem etwas Gescheites dazu einfiel …
18
April
Afghanistan
»Jamal, das war wirklich ausgezeichnet«, lobte Abdul Kalakani, nachdem der Milizchef seinen Vortrag beendet hatte. »Ich bin sicher, dass sie jetzt erst einmal für eine lange Zeit damit beschäftigt sein werden, ihre Leute wiederzubekommen. Hast du sie schon in die Höhlen bringen lassen?«
»Ja, natürlich. Sie müssten dort gerade ankommen. Ich fahre nachher hin und überprüfe die Bewachungsmaßnahmen und so weiter … «
»Gut. Damit du dich nicht um alles selbst kümmern musst, werde ich meinen Sohn Sayed zu den Höhlen schicken. Er kann die weitere Bewachung organisieren und ein Auge auf unsere Leute werfen. Es ist wichtig, dass den Soldaten der Ungläubigen kein Haar gekrümmt wird, das ist dir ja klar?«
Wütend schnaufte Jamal: »Ich weiß schon, warum du Sayed da hinschickst, Abdul. Du traust mir nicht! Du willst, dass dein Sohn mich kontrolliert!«
Das Gesicht des Warlords war völlig ausdruckslos, als er sagte: »Rede doch keinen Unsinn, Jamal. Willst du etwa als Oberst meiner Truppen tagelang in den Höhlen hocken? Du musst dich um die gesamte Organisation kümmern. Ich
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