Die Narben der Hoelle
abnimmt?«
Nach einer kleinen Pause fragte Mehmet vorsichtig: »Ich weiß ja, dass du im Moment ganz andere Sorgen hast, aber sag mal, wie sieht eigentlich das Schiff aus?«
Oha, dachte Johannes. »Also, direkt auf die Bootsmesse würde ich damit so nicht fahren wollen.«
»Und was heißt das konkret?«, bohrte Mehmet nach.
»Ehrlich gesagt, es ist ziemlich viel kaputt gegangen. Mal abgesehen von den beiden Löchern im Rumpf – auch das Laminat ist an einigen Stellen stark beschädigt, vor allem am Heck. Die Reling achtern ist mitsamt den Stützen herausgerissen … Dann gibt’s noch üble Beschädigungen in der Außenhaut, leider nicht nur am Lack. Und innen«, fuhr er vorsichtig fort, »na ja … , da sieht es auch … äh, nicht mehr so gut aus … «
Unheilvolles Schweigen. Dann: »Kann man das reparieren?«
»Hm, vielleicht. Wird aber sehr teuer, bis alles wieder so aussieht wie vorher, fürchte ich«, erwiderte Johannes kleinlaut.
»Allah sei dir gnädig!«, stieß Mehmet aus.
Das kam unerwartet. Soweit sich Johannes erinnern konnte, hatte er noch nie erlebt, dass sein Freund den Namen des Allerhöchsten angerufen hatte. Er schwieg vorsichtshalber.
Scheinbar beiläufig kam Mehmets Frage: »Hab ich dir eigentlich erzählt, wem die Yacht gehört?«
»Hast du nicht. Und das weißt du auch. Aber warum fragst du?«
»Der Besitzer heißt Taner Yilmaz. Ein … einflussreicher Mann, nicht nur hier in Izmir … «
»Mehmet, was willst du mir sagen?«, unterbrach ihn Johannes ungeduldig.
»Er hat ausgezeichnete Beziehungen zu … , sagen wir, zu gewissen mächtigen Leuten, auch in den Behörden.« Mehmet holte hörbar Atem.
Johannes wartete gespannt ab, was nun wohl kommen würde.
Nach einer Pause sagte Mehmet entschlossen: »Ich werde ihn nachher anrufen. Wird vielleicht ein bisschen dauern, er ist schwer zu erreichen. Dann melde ich mich wieder bei dir. Meinst du, dass die Gangster noch einmal wiederkommen?«
Sicher, dachte Johannes, das werden sie.
Zumindest wenn sie die Profis waren, für die er sie hielt. Bestimmt hatten sie Komplizen, die versuchen würden, das zu Ende zu bringen, was den beiden in der letzten Nacht nicht gelungen war. Alles hing davon ab, wer hinter der ganzen Sache steckte – und wie wichtig es für den war, Johannes Clasen zu töten.
»Könnte durchaus sein«, sagte er müde. »Ich denke aber, sie werden erst einmal genug mit sich selbst zu tun haben, müssen sich neu organisieren. Wenn überhaupt, dann kommen sie erst bei Dunkelheit wieder. Dann allerdings … «
»Heiliger Himmel, was für eine Scheiße! Pass auf: Ich sorge dafür, dass bis dahin die Küstenwache bei dir ist. Oder nein, mir fällt gerade noch was Besseres ein … Moment mal, Ayse ist aufgewacht.«
Johannes hörte das Ehepaar im Hintergrund miteinander ein paar Worte auf Türkisch wechseln, dann war Mehmet wieder dran: »Ayse fragt, was du nun vorhast, ob du im Moment allein klarkommst.«
»Im Augenblick schon. Ich werde nachher versuchen, das Nötigste zu reparieren und das Chaos etwas aufzuklaren. Aber die Yacht muss so schnell wie möglich aus dem Wasser. Am besten fahre ich später vorsichtig nach Ayvalik zurück. Dort haben sie einen Kran für Sportboote. So weit ich sehen kann, gibt es keinen solchen Hafen, der näher liegt. Wenn ich weiß, wann ich losfahre, sage ich dir Bescheid.«
»Willst du nicht lieber erst einmal da bleiben, wo du bist, und dich etwas ausruhen? Mir ist nämlich eben eingefallen, dass sich besser gleich Taner Yilmaz um deinen Schutz kümmert, also um Küstenwache, Polizei und so weiter. Wenn er die Behörden verständigt … «
»Dieser … Yilmaz soll das organisieren?«
»Das wird er, da sei ganz sicher. Wahrscheinlich will er auch selbst zu seiner Yacht fahren, wenn er hört, was passiert ist. Am besten setzen wir uns ins Auto und kommen zu dir. Dann musst du nicht allein mit dem kaputten Schiff zurücksegeln. Was meinst du?«
»Okay, mach, was du für richtig hältst. Ich werde inzwischen versuchen, hier alles für die Überfahrt vorzubereiten. Aber zuerst muss ich mich mal kurz aufs Ohr legen. Topfit bin ich gerade nicht … «
»Abgemacht. Ich melde mich gegen Mittag wieder, falls ich ihn bis dahin erreicht habe. Und: Pass auf dich auf, Jo! Du wirst sehen, wir kriegen das alles wieder hin!«
Davon war Johannes allerdings keineswegs überzeugt.
Er räumte den Cockpittisch leer, stieg nach unten und hangelte sich todmüde durch das schwankende Boot nach
Weitere Kostenlose Bücher