Die Narben der Hoelle
Raum.
Der Oberstleutnant holte tief Luft. »Jeder, der keinen Auftrag hier drin hat, verlässt sofort die OPZ. Sofort! In fünf Minuten trifft der Kommandeur hier ein. Er wird erst einmal nur mit Hauptmann Clasen sprechen. Anschließend Lagebesprechung. Teilnehmer wie befohlen!« Erschöpft ließ er sich in seinen Sessel sinken und setzte hinzu: »Und jetzt raus mit allen Neugierigen, die hier nichts zu suchen haben!«
Recht hat er, dachte Johannes, ging in die kleine Teeküche und nahm sich einen Becher schwarzen Kaffee. Damit setzte er sich still auf einen freien Stuhl neben der Lagekarte, um auf den Kommandeur zu warten.
Im Geist formulierte er bereits seinen Bericht.
17
September
Türkei
Immer böiger wurde der Wind und ließ die straff gespannten Wantendrähte summen.
Der Motorsegler war auf die offene See hinausgefahren. Nichts mehr war von ihm zu hören oder zu sehen.
Was würden sie jetzt unternehmen, wohin fuhren sie? Auf jeden Fall musste der Mann, den er angeschossen hatte, in medizinische Behandlung, sonst war es bald um ihn geschehen.
Johannes betrachtete die dicke Blutspur, die von der Niedergangstreppe quer durchs Cockpit lief.
Vielleicht war es sogar schon zu spät für ärztliche Hilfe … Sein Mitleid hielt sich in Grenzen.
Nachdem er einige Minuten schwer atmend im Cockpit gesessen hatte, ohne eine Antwort auf seine vielen Fragen finden zu können, merkte er, dass er vor Kälte zitterte. Ächzend wuchtete er sich hoch. Der stechende Schmerz im Unterleib war inzwischen einem dumpfen Pochen gewichen. Durchaus zu ertragen, aber hoffentlich gab es da keine Spätfolgen für die Manneskraft …
»Als ob du jetzt keine anderen Sorgen hättest«, knurrte er unwillig und blickte hinüber zum Festland. Dort war alles ruhig. Völlige Dunkelheit. Nichts deutete darauf hin, dass jemand an Land etwas von dem nächtlichen Drama hier draußen bemerkt hatte.
Die Schusswunde am linken Oberarm brannte höllisch. Der kurze Ärmel des T-Shirts war blutverkrustet. Entlang des Armes hatte sich eine Spur aus angetrocknetem Blut gebildet.
Die Yacht!, schoss es ihm durch den Kopf.
Was für Schäden hatte die Akgül wohl davongetragen? Hatten die Geschosse den Rumpf durchschlagen, gab es vielleicht sogar Risse durch die ständigen Aufschläge des stählernen Motorseglers?
Licht. Er musste etwas sehen können.
Vorsichtig stieg er den blutverschmierten Niedergang hinunter und holte sich die Taschenlampe von der Salonbank. Ihren Strahl richtete er auf das verkleidete Krokodil, das ihm so gute Dienste geleistet hatte.
Viel war davon nicht mehr übrig.
Sämtliche Luft war aus dem Schwimmtier entwichen. Nun lag dort in der Ecke vor den Ofenblechen und dem Werkzeugkasten nur noch sein Baseballcap auf einem wirren Haufen aus grünweißem Plastik und dem Pullover voll roter Marmelade.
Wo waren die Einschlagstellen der Geschosse?
Verdammt, richtiges Licht musste endlich ins Schiff.
Er ging hinüber zur Navigationsecke und leuchtete auf das Schaltbrett.
Das Funkgerät jedenfalls war nicht mehr zu gebrauchen.
Was hatte der Schuss an der Elektrik wohl noch angerichtet?
Das Schaltbrett unterhalb der Einschussstelle war immerhin äußerlich unbeschädigt. Hoffentlich waren die Kabelstränge heil geblieben.
Einfache Methode, das herauszufinden: Er legte nacheinander alle Kippschalter von OFF auf ON.
Das Wunder geschah. Plötzlich war das gesamte Innere der Yacht in helles Licht getaucht. Mit leisem Surren sprang der Elektromotor der Kühlbox an, kurz darauf schaltete sich die automatische Bilgenpumpe dazu.
Befriedigt blickte er sich im Raum um. Alles schien intakt geblieben zu sein.
Er stutzte. Der widerliche Geruch eines durchbrennenden elektrischen Bauteils drang ihm in die Nase.
Sofort sah er es: Aus dem zerschossenen Funkgerät quoll eine stinkende bläuliche Qualmfahne hervor. Rasch legte er den Kippschalter, über dem RADIO stand, wieder auf OFF.
Wütend zischte er einen Fluch durch die Zähne. Wie konnte man nur so dämlich sein?
Er hatte einfach alle Anschlüsse unter Strom gesetzt, auch den für das beschädigte Funkgerät. Wenn er damit jetzt einen Kabelbrand ausgelöst hatte, wäre es erst einmal vorbei mit der Stromversorgung.
Ängstlich blickte er auf die Reste des Funkgerätes, die noch an ihrem Montagebügel hingen, umgeben vom zersplitterten Holz der Innenverkleidung. Diesmal war das Glück auf seiner Seite: Das Qualmen hörte auf!
Erleichtert holte er den Verbandskasten hervor und wollte
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