Die Narben der Hoelle
plötzlich schmerzverkrümmt auf dem schmutzigen Felsboden wieder. Die Luft war kaum zu atmen. Voll beißendem Pulverdampf. Vom Lärm der Schusswaffen war er fast taub.
Als er bereits begann, Allah um gnädige Aufnahme in sein ewiges Paradies anzuflehen, sah er Sayeds Gesicht ganz nah vor sich und hörte seine Stimme.
»Ich bringe dich hier raus, Hashmat. Du bist schwer verletzt, aber du wirst es schaffen … « Sayed packte ihn unter den Achseln und schleifte ihn in Richtung der großen Höhle. Schon nach wenigen Metern, in denen sein zerfetztes Bein immer wieder an den spitzen Felsbrocken auf dem Boden hängenblieb, fiel er in Ohnmacht.
Als er wieder erwachte, lag er zwischen den Leichen Sayeds und der beiden kleinen Jungen.
Halb verrückt von seinen Höllenqualen sah er noch, dass ein Amerikaner Jamal erschoss. Dann kam ein anderer Amerikaner zu ihm, band sein Bein ab und verschwand wieder. Um die zerschossene Hand hatte er sich nicht gekümmert. Die hatte er gar nicht gesehen.
Plötzlich war Hashmat allein in der Höhle.
Er ahnte, was ihm passieren würde, wenn er hier liegen blieb: Die Ungläubigen würden ihn vielleicht wieder zusammenflicken, aber dann wäre er für den Rest seines Lebens ihr Gefangener. Sie würden das mit ihm machen, was sie, wie man wusste, immer machten: Sie würden ihn foltern und misshandeln. Sie hassten alle Muslime. Wahrscheinlich würde er in einem ihrer Lager verrecken müssen, von denen man sich erzählte.
Dann lieber sterben, schwor er sich.
Seine Rettung vor einer Knechtschaft unter Ungläubigen waren die beiden Kämpfer, die sich in das vorbereitete Versteck geflüchtet hatten, als die Amerikaner eingedrungen waren. Feige Hunde waren das, die sie dringend gebraucht hätten, um den Angriff zurückzuschlagen.
Doch nun retteten ihn ausgerechnet diese Feiglinge. Deshalb waren sie auch heute noch am Leben …
Sie hoben die Falltür hoch, als es in der Höhle still geworden war, und entdeckten so Hashmat, der stöhnend auf ihr Versteck zurollte. Sie zogen ihn zu sich herunter, wobei er wieder das Bewusstsein verlor.
Das Versteck war nichts anderes als eine weitere, kleinere Höhle unter der großen, mit dieser durch den Schacht verbunden, der oben mit einer getarnten Falltür abschloss.
Hier unten konnte man tagelang ausharren.
In den Jahren der sowjetischen Besatzung war dies ein Geheimversteck der Mudschaheddin gewesen, das sie beziehen konnten, falls die Höhlen entdeckt worden wären. Hier hatten die beiden Kämpfer ihn notdürftig am Leben erhalten, bis sie ihn in der folgenden Nacht wieder nach oben und aus dem hinteren Ausgang herausbringen konnten.
Als er auf vielen Umwegen schließlich hier ins Krankenhaus eingeliefert wurde, war er bereits so gut wie tot gewesen …
Nun, ich lebe noch, dachte Hashmat trotzig. Zwar kein richtiges Leben mehr, aber immerhin: Für das, was jetzt getan werden musste, würde es reichen.
Noch immer schwieg Kalakani. Hashmat beobachtete ihn genau. Nach ein paar Minuten, in denen nur das gleichförmige, gedämpfte Geräusch der Stimmen von jenseits der Stellwände hereindrang, hörte er den Fürsten sagen: »Wir müssen an unsere Zukunft denken, Hashmat! Die Geschäfte gehen weiter. Und ich muss einen neuen Führer für meine Truppe finden, jetzt, wo Jamal tot ist.«
Jamal, dachte Hashmat. Mit eigenen Augen hatte er gesehen, wie er starb.
Es war ihm egal. Er hatte den Kerl stets mit Argwohn betrachtet. Irgendetwas an Jamal war falsch gewesen.
Vielleicht der ganze Mann.
Er hörte Kalakani sagen: »Ich werde jemanden an meiner Seite brauchen, Hashmat, jetzt, wo ich nicht mehr auf Sayed bauen kann. Ich weiß, ich kann mich auf dich verlassen.« Noch einmal brach der Warlord ab, dann sagte er entschlossen: »Aber zuerst werden wir dafür sorgen, dass Sayeds Mörder nicht ungestraft bleibt!«
Plötzlich hatte seine Stimme wieder Kraft.
27
Juli
Deutschland
Nach dem Abendessen trat Johannes aus dem Nebeneingang in die kleine Parkanlage.
Nur ein paar Schritte, und er kam zum Ententeich und setzte sich auf eine der Bänke. Die hochsommerliche Hitze des Julitages war zum Abend kaum schwächer geworden. Wie immer, wenn die Sonne schien, hatte er einen übergroßen Strohhut über seinen Kopfverband gestülpt.
Die Zahnräder mochten keine direkte Sonneneinstrahlung. Sie schien sich irgendwie auf ihre Schmierung auszuwirken. Jedenfalls bekam Johannes immer Schmerzen, wenn er seinen Schädel der Sonne aussetzte.
Morgen sollte er nach
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