Die Narben der Hoelle
befragt. Und Mertens auch. Immer wieder dieselben Fragen. Vor allem natürlich, ob wir beobachtet haben, auf wen du geschossen hast. Einmal Nein genügt denen nicht.«
»Haben sie euch etwas über Geheimhaltung gesagt?«
Paule schnaufte unwillig auf und sagte: »Wir wurden sogar formvollendet dazu verpflichtet. Mit Unterschrift und allem Drum und Dran. Ich weiß nicht, was diese Geheimniskrämerei soll.«
»Ich auch nicht«, antwortete Johannes. »Aber ich habe meine Vermutungen.« Er ließ seinen Blick abwesend über den kleinen Park gleiten. »Heidebrandt hat mir gestern gesagt, dass sie mich auch in Freiburg noch einmal besuchen werden. Dann wollen sie mir auch sagen, was die Untersuchungen vor Ort in Afghanistan erbracht haben.«
»Und dann schreiben sie ihren Bericht.«
»Ich weiß nicht, ob ich den überhaupt lesen will, Paule«, sagte Johannes.
Der stämmige Mann nahm wieder sein Taschentuch heraus und fuhr sich damit über den schweißnassen Kahlkopf. Dann legte er die Hand auf die Schulter seines Freundes und sagte leise: »Du musst gesund werden, Jo, das ist erst mal das Wichtigste. Und der Untersuchungsbericht … Nun, das läuft vielleicht auf eine Sauerei hinaus … «
»Was meinst du damit?«
»Du weißt so gut wie ich, dass die Öffentlichkeit gar nicht erfahren hat, was da wirklich gelaufen ist. Die Geiseln wurden in einer erfolgreichen Operation befreit, dabei sind einige Taliban getötet worden – und leider auch zwei Kinder, die von denen als ,Lebendige Schutzschilde’ missbraucht wurden. Punkt. Kein Mensch weiß, dass die Amerikaner dabei waren. Und jetzt dieses Geheimhaltungstheater. Riecht alles ganz übel … «
Paule hatte sich in Rage geredet, stellte Johannes fasziniert fest. Das geschah äußerst selten. Und er war noch nicht fertig. Mit bebender Stimme fuhr er fort: »Das riecht nicht nur, das stinkt! Und zwar nach Politik. Und nach Vertuschung, wenn du mich fragst!«
»Ich fürchte, du hast recht. Vielleicht wissen wir mehr, wenn sie mir den Abschlussbericht geben. Wenn sie mir den geben … «
»Das müssen sie, Jo! Da geht es ja um dich und deine Beteiligung an der … Sache. Das dürfen sie dir nicht vorenthalten!« Paule stand auf und sagte: »Ich muss leider los.«
»Wann sollst du wieder rüber?«
»Mitte September. Aber nur für zwei Monate. Ich komm dann mit unseren letzten Kampftruppen zurück.«
Johannes knirschte mit den Zähnen. »Sie machen also Ernst, ja? Sie legen die operativen Aufgaben ganz in die Hände der Amerikaner … «
»Yes, Sir!« brüllte Paule zackig und hielt seinen Blick starr geradeaus gerichtet. »Aber wenn sie dir etwas ans Zeug flicken wollen, werden wir uns wehren, verlass dich drauf!« Damit drehte er sich um und ging.
Johannes blieb noch ein paar Minuten auf der Bank sitzen. Er hatte Kopfschmerzen.
Die Sonne war hinter dem Horizont verschwunden, aber eine schwüle Wärme lag schwer in der Luft.
Und Erdbeeraroma.
Der Spankorb, den Paule hatte stehen lassen, war zwar leer, aber immer noch verströmte er den Duft der reifen Früchte.
Morgen also Freiburg.
Plötzlich musste Johannes lächeln.
,Wir’, hatte Paule gesagt.
28
August
Afghanistan
Hedayat verbrachte seine Tage – und vor allem die Nächte – seit der Geiselbefreiung in einem Zustand ständiger Panik. Er konnte keinen Schlaf finden, wälzte sich schwitzend in seinem Bett herum und wurde in den wenigen kurzen Phasen des Eindämmerns von Albträumen heimgesucht, in denen er seinen Tod in allen möglichen grauenvollen Arten durchlebte.
Jamal war tot. Er würde ihm die Dollars nie mehr zahlen können, für die er, Hedayat, seinen Fürsten verraten hatte.
Schlimm genug, aber damit musste er sich abfinden.
Seine fieberhafte Unruhe hatte einen anderen Grund: Er fürchtete sich davor, dass der mächtige Mann irgendwann herausfand, wer den Deutschen das Versteck verraten hatte. Allein der Gedanke daran ließ den kleinen Mann vor Todesangst erzittern.
Niemals durfte Kalakani erfahren, dass Jamal ihn betrogen hatte! Hedayats Rolle in diesem Spiel wäre dann sofort aufgedeckt worden.
Zuerst hatte er sogar an Flucht gedacht. Doch wohin sollte er fliehen? Er wusste nur zu genau, wie weit der Arm des Fürsten reichte.
Zu weit, um ihm auf Dauer zu entkommen.
Außerdem würde man durch seine Flucht erst recht auf ihn aufmerksam werden.
Sicher fragte sich Abdul Kalakani täglich, wie die Besatzer an die Informationen über das Versteck der Geiseln gelangt waren, dachte Hedayat
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