Die Narben der Hoelle
anfangs. Aber seine Erkundigungen ergaben, dass der Fürst jedes Interesse an der Ausübung seiner Macht verloren zu haben schien.
Nach zwei bis drei Wochen ließ deshalb seine Panik allmählich nach. Er bemerkte verwundert, dass niemand sich für ihn interessierte. Gerade als er anfing, sich ein wenig zu entspannen, erreichte ihn die Nachricht, er solle sich sofort im Krankenhaus in Kunduz einfinden. Hashmat wünsche dort ein ,wichtiges Gespräch’ mit ihm zu führen.
Um Allahs willen! Hashmat wollte ihn sprechen! Der Mann war gefährlich – ein Vertrauter des Fürsten.
Vielleicht hatten sie schon einen Verdacht?
Hedayats erste Reaktion war: Bloß weg, sofort untertauchen! Aber dann wurde ihm klar, dass er hierbleiben musste. Nur so konnte er in Erfahrung bringen, ob Kalakani oder Hashmat etwas im Schilde führten. Vielleicht konnte er dafür sorgen, dass erst gar kein Verdacht gegen ihn aufkam. Falls sie noch keinen geschöpft hatten …
Es half nichts, er musste unbedingt erfahren, wie viel sie wussten!
Voller Ängste und Zweifel machte er sich auf den Weg. Doch schon nach ein paar Minuten an Hashmats Krankenbett beruhigte er sich. Unglaublich, aber Kalakani und sein Vertrauter interessierten sich gar nicht für die Ursache der vorzeitigen Entdeckung der Höhle!
Hashmat machte ihm unmissverständlich klar, was er wirklich vorhatte. »Wir brauchen dich und deine Verbindungen zu den Ungläubigen. Jetzt kannst du Abdul einen Dienst erweisen, den er dir nie vergessen wird!«
Das ließ sich ja gut an …
Bei Hashmats nächsten Worten erlitt Hedayat allerdings fast einen Herzstillstand: »Wir müssen herausbekommen, wer Sayed getötet hat! Wir müssen wissen, welcher von den schießwütigen Ungläubigen das getan hat – und wie wir ihn finden können. Das ist deine Aufgabe, dazu brauchen wir dich!«
Nachdem er wieder zu Atem kam, blickte Hedayat ängstlich zu dem jungen Mann in seinem Bett hinüber. Aber der hatte von seinem Schock anscheinend nichts mitbekommen.
Der reine Wahnsinn, dachte Hedayat. Er erinnerte sich noch gut an das nächtliche Treffen mit Jamal, bei dem dieser ihm voller hasserfüllter Vorfreude ausgemalt hatte, wie er höchstpersönlich den Sohn des Fürsten in die Hölle schicken würde. Und Hashmat hätte ihm dorthin folgen sollen, wenn alles nach Jamals Plan gelaufen wäre …
Niemand anders als Jamal hatte Sayed getötet, das war klar.
Aber Jamal war tot. Er hatte seine Rache an Kalakani nicht mehr auskosten können.
»Was geht dir durch den Kopf?«, fragte Hashmat.
Hastig antwortete Hedayat: »Nichts weiter. Ich überlege nur, wie ich es anstellen soll, an die Informationen zu kommen, die du brauchst.« Dann fügte er listig hinzu: »Und mir sind da auch schon einige Möglichkeiten eingefallen … «
Voll angekleidet saß Hashmat zwei Wochen später im Krankenhaus auf dem Bett, den Rücken an das senkrecht gestellte Kopfteil gelehnt. Eine Decke verbarg seinen Beinstumpf. Am nächsten Tag schon sollte er abgeholt und in Kalakanis Residenz gebracht werden.
Neben dem Krankenbett stand ein aufgeregter Hedayat und sprudelte seinen Bericht nur so heraus.
Und der hatte es in sich!
Hedayat trank Kaffee mit Soldaten aller Dienstgrade, hatte fast überall Zugang und war gern gesehen. Einige betrachteten ihn sogar als einen der ihren, seit bekannt war, dass man dank ihm das Versteck ihrer entführten Kameraden doch noch hatte finden können. »Hedi« nannten sie ihn inzwischen im Feldlager.
Sogar zu ein paar von ihren Besäufnissen hatten sie ihren Hedi eingeladen. Er trank dann fröhlich Wasser und hörte seinen neuen Freunden interessiert zu. Es war erstaunlich, was man alles von Menschen erfahren konnte, die zehn Dosen Bier in sich hineingegossen hatten. Schließlich hatte er nur noch hier oder dort eine unverfängliche Frage stellen müssen, dann war ihm ziemlich klar, was man im Camp Marmal über den Hergang dieser Aktion zu wissen glaubte.
Hashmat war beeindruckt. »Das sagt man also?« Er konnte seine Erregung kaum zügeln. »Und wer ist nun dieser Mann, der Sayed und die Kinder erschossen hat? Was hast du über ihn erfahren?«
»Alles. Das war für mich nicht schwer. Die Deutschen haben wochenlang nur über die Geiselbefreiung gesprochen. Ihr wichtigstes Thema. Und ich habe den Mann sogar selbst gekannt!« Nach einer dramatischen Pause fügte er hinzu: »Er ist mir mehrfach begegnet. Vor allem, als der Einsatz zur Geiselbefreiung vorbereitet wurde. Er war ja der Führer ihrer
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