Die Narben der Hoelle
Eingreiftruppe!« In einer selbstgefälligen Pose verschränkte er die Arme vor der Brust.
Hashmat blickte ihn aufmerksam an und sagte: »Gut, darauf komme ich gleich noch einmal zurück. Aber wir brauchen mehr als nur seinen Namen. Wir müssen wissen, wo er sich jetzt aufhält!«
»Eine Woche lang lag er in ihrem Lazarett im Camp – auf Leben und Tod. Danach haben sie ihn mit diesem fliegenden Krankenhaus ausgeflogen, auf das sie so stolz sind.«
»Wohin?«
»Das weiß ich nicht genau! Aber auf jeden Fall nach Deutschland. Wohin sonst?«
Hashmat rückte sich auf seinem Bett ein wenig zurecht.
Die stärksten Schmerzen hatte er-in dem Bein, das gar nicht mehr da war. Aber die Wunde war nun endlich so weit verheilt, dass er hier heraus konnte. Morgen kam Naim, um ihn abzuholen. Kalakani hatte ihn wissen lassen, dass alles für ihn vorbereitet war. Er würde eine persönliche Pflegerin haben und eines der Zimmer im Erdgeschoss bewohnen, um keine Treppen steigen zu müssen.
Verstohlen huschte sein Blick zu den verhassten Krücken hinüber, die an sein Nachttischchen gelehnt waren. Er hörte Hedayat fragen: »Wozu willst du denn das alles eigentlich wissen? Was hast du vor?«
Neugierig, die kleine Ratte, dachte Hashmat. »Das ist kein Geheimnis! Dieser Mann wird sterben müssen!«
Das konnte sich Hedayat offensichtlich nicht erklären. Vorsichtig wagte er sich etwas weiter vor: »Aber warum? Der ist doch dabei selbst fast zu Tode gekommen. Jedenfalls erzählen sich die Deutschen, dass er schon so gut wie tot war, als er im Lazarett lag. Wenn er also überhaupt noch am Leben ist, warum willst du … «
»Nun, wenn er schon tot wäre, dann wäre es ja gut«, antwortete Hashmat kalt. Mit loderndem Blick starrte er in das Gesicht seines Besuchers. »Sie haben Geschosse aus seiner Waffe in Sayeds Körper gefunden, das haben sie dir selbst erzählt, oder?«
»Ja, aber es soll Notwehr gewesen sein. Er musste sich verteidigen. Das hat angeblich die Untersuchung ergeben.«
Wütend zischte Hashmat ihn an: »Notwehr? Erst schießen mich die Amerikaner zum Krüppel. Und als Sayed mir das Leben rettet, tötet ihn dieser verfluchte Hund. Und erschießt auch die unschuldigen Kinder. Das sagen schließlich seine eigenen Leute. Du weißt doch wohl, dass einer der kleinen Jungen mein Neffe war?«
»Ja, das weiß ich, aber … «
»Sayed war mein Freund. Ich sollte ihn beschützen … « Hashmat holte tief Luft. »Wir haben diesen beiden beschissenen deutschen Soldaten kein Härchen gekrümmt. Wir haben sie nur als Faustpfand benötigt, damit die ungläubigen Hunde nicht endgültig unsere Existenz vernichten. Der Deutsche aber hat meinen Neffen getötet. Und Abdul Kalakanis Sohn.« Erschöpft lehnte er sich in sein Kissen zurück. »Er darf nicht weiterleben. Das ist wider das Recht. Wir werden ihn jagen. Und, wo immer er sich versteckt: Er muss sterben, in’shallah! «
*
Ein behaglicher Raum, fand Hashmat.
Edle Teppiche lagen auf dem hochglänzenden Holzfußboden, vor den beiden Fenstern hingen schwere Vorhänge mit wundervoll gewirkten Ornamenten, und die beiden großen Sessel waren mit feinem Stoff überzogen.
Auf einem von ihnen hatte er es sich bequem gemacht, indem er seinen Beinstumpf mit Kissen so unterfüttert hatte, dass er ohne allzu große Schmerzen aufrecht sitzen konnte.
Ihm schräg gegenüber im anderen Sessel saß Abdul Kalakani und fragte: »Fühlst du dich wohl hier, Hashmat?«
»Sehr wohl, verehrter Abdul«, antwortete Hashmat und fügte mit leiser Stimme hinzu: »Dass du diese Sessel hier hast hereinstellen lassen … « Ihm versagte für einen Augenblick die Stimme.
Das war das Erste gewesen, was ihm an seinem neuen Zuhause aufgefallen war: Kalakani hatte natürlich gewusst, dass es ihm nicht mehr möglich war, in traditioneller Art und Weise auf Kissen auf dem Boden zu sitzen, dort gar zu essen. Er hätte bei dem Versuch, sich auf den Boden zu setzen, einen traurigen, einen unwürdigen Anblick geboten. Das wäre vermutlich eher einem Sturz gleichgekommen.
Und aus eigener Kraft hätte er auch nicht mehr aufstehen können …
Statt ein »Wort darüber zu verlieren, hatte der Fürst die Sessel heranschaffen lassen, eine Geste, für die ihn Hashmat noch mehr verehrte als für alle anderen Dinge, die der großartige Mann jemals für ihn getan hatte.
Nach einem längeren Schweigen fragte Hashmat mit gedämpfter Stimme: »Verzeih mir bitte die Frage, aber ich würde gern wissen, wo Sayed … « Er
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